Unter Fotorecht versteht man die rechtliche Regelung der fotografischen Aufnahme von Wirklichkeit, wobei im Mittelpunkt das UrheberRecht steht.
Ein Beispiel für eine fotorechtliche Fragestellung erörtert die Seite SachFotografie.
http://www.fotorecht.de - Laut Eigenwerbung "Infodrehscheibe zum Fotorecht mit den Schwerpunkten Urheber-, Internet- und Bildnisrecht" - von RechtsAnwalt Seiler, der als Fotograf die Interessen dieser Berufsgruppe auch in der MailingListe URECHT vertritt.
Insgesamt zum Thema Foto- und Bildrechte kann http://www.rechtambild.de empfohlen werden - laut Eigenwerbung Informationen rund um das Urheber- und Fotorecht. Scheint teilweise auch ins Presserecht zu gehen.
Gedanken zum Fotorecht aus alternativer Sicht
Diese Seite basiert auf einem Diskussionsbeitrag von KlausGraf, der auf der Fachtagung des AsKI (Arbeitskreis selbständiger Kulturinstitute e.V.) über "Rechte und Lizenzen" im Nov. 2002 in Frankfurt vorgetragen wurde (zum Tagungsprogramm).
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Was ist Kulturgut? Die Sammlungen der Mitgliedsinstitutionen des AsKI sind bestens geeignet, den Begriff anschaulich zu machen: Kostbare Pretiosen wie frühmittelalterliche Handschriften sind ebenso vertreten wie ephemere Dokumente unserer Alltagskultur wie Mitschnitte von Radio- oder Fernsehsendungen. Oft kann man sich oft streiten, ob es sich im Einzelfall um Archivgut, Bibliotheksgut oder Museumsgut handelt. Als gemeinsamer Nenner bietet sich in der Tat der Begriff Kulturgut an. Wenn man an einen Dichternachlaß denkt, so leuchtet unmittelbar ein, daß ihm die verwahrende Institution Schutz und Fürsorge schuldet, daß er als Gesamtheit auf Dauer erhalten bleiben muß, nicht etwa im Kunsthandel durch Einzelverkauf zerstreut werden darf. Seine Bestandserhaltung muß garantiert werden, Öffentlichkeit und Wissenschaft müssen Zugang zum Nachlaß erhalten, etwa durch Ausstellungen für ein breites Publikum oder durch Förderung von Forschungen, die sich mit dem Dichter und seinem Werk anhand der im Nachlaß versammelten Dokumente auseinandersetzen.
Allem Kulturgut liegt ein Widmungsakt auf dem Feld gesellschaftlicher Erinnerungskultur zugrunde. Kulturgut wird der durch Verbrauch und Vernichtung gekennzeichneten ökonomisch-ökologischen Warenzirkulation entzogen, die Dichterpapiere landen nicht beim Altpapierrecycling, sondern im Literaturarchiv, das mit Argusargen darüber wacht, daß sie nicht von vorwitzigen Benutzern erneut beschrieben werden. Kulturgut ist also das Ergebnis eines gesellschaftlichen Bewertungsprozesses, den man mitunter auch mit Hermann Lübbe als kompensatorischen Prozeß der Musealisierung oder Selbsthistorisierung zu benennen geneigt ist. Bewahrende Kulturinstitutionen folgen, auch wenn sie auf individuelle Sammlungen und Initiativen zurückgehen, nicht rein privaten Sammelobsessionen. Das Subjektive und Private, manchmal auch intim Familiäre, das sich in ihnen findet, wird mit öffentlicher Bedeutung und gesellschaftlich-kultureller Relevanz aufgeladen. Die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer definieren entsprechend Kulturdenkmale als Sachen und Sachgesamtheiten, an deren Erhaltung aus wissenschaftlichen, künstlerischen oder anderen - beispielsweise heimatgeschichtlichen - Gründen ein öffentliches Interesse besteht.
Kulturgut gilt als Kernbestandteil des kulturellen Gedächtnisses und der kulturellen Identität, es soll aber kein toter Ballast sein, kein abgelagertes Vergangenheitssediment, sondern ein lebendiges Kapital, das in der medialen Gegenwart wirkmächtig bleiben soll. Man präsentiert sich und seine Bestände möglichst vorteilhaft in der Öffentlichkeit und natürlich auch im Internet, wirbt mit Eifer wissenschaftliche Konferenzen und Projektgelder ein, gilt es doch ständig Geldgeber und Mäzene zu überzeugen.
Das Kunstwerk oder Kulturgut ist natürlich längst im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit angekommen, es wird fotografiert und digitalisiert, und die Reproduktionen und Vervielfältigungen werden auf einem vielfältigen Bildermarkt als Waren gehandelt. Wer sie verwerten will, muß Nutzungsentgelte entrichten. So heißt es etwa in der Preisliste der Stiftung Archiv der Akademie der Künste Berlin: "Jede Art der Nutzung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung durch die Stiftung Archiv und ist gebührenpflichtig" http://www.adk.de/de/archiv/benutzerservice/preisliste.htm.
Wenn man aber Kulturgut als kulturelles Allgemeingut bestimmt, so entzieht man es damit in gewissem Maße der alleinigen Verfügungsgewalt seines Eigentümers. Nicht nur für ein Druckwerk gilt, was das BundesVerfassungsGericht zuletzt in seiner Entscheidung zum urheberrechtlichen Zitatrecht zugunsten des Dramatikers Heiner Müller vor zwei Jahren bekräftigt hat: "Es löst sich mit der Zeit von der privatrechtlichen Verfügbarkeit und wird geistiges und kulturelles Allgemeingut".
Es spricht viel dafür, das grandiose Buch des Berkeley-Juristen Joseph L. Sax, das 1999 unter dem Titel "Playing Darts with a Rembrandt. Public and private rights in cultural treasures" erschienen ist, auch hierzulande der extrem unterentwickelten juristischen Theoriebildung auf dem Feld des Kulturgutrechts zugrundezulegen. Sax geht es darin nicht nur um den klassischen Bereich der Baudenkmalpflege, er setzt sich auch mit den Präsidentennachlässen in den USA, mit Zugangsfragen zu Bibliotheks- und Museumssammlungen auseinander und rollt den akademischen Skandal der Schriftrollen vom Toten Meer auf. Jahrzehntelang wurden diese Qumrahn-Texte von einem kleinen Kreis, der sich exklusive Publikationsrechte gesichert hatte, der Forschung entzogen.
Kulturgut geht alle an, nicht nur einen verschwiegenen Kreis von Stiftungskuratoren. Bestandserhaltung und Zugang sind Zwillinge, Bewahrung ohne Nutzung stiftet keinen Sinn. Der erwähnte gesellschaftliche Widmungsakt übergibt das Kulturgut der Öffentlichkeit und macht aus dem Eigentümer einen im Auftrag der Öffentlichkeit handelnden Treuhänder. Das ist übrigens kein ganz moderner Gedanke. "Die literarischen und Kunstsammlungen unseres fürstlichen Hauses", schrieb der Kunstsammler Fürst Ludwig zu Oettingen-Wallerstein im Jahr 1811, "sind ein Reichtum, den kein Maß bestimmen kann. Ihre Größe und ihr Umfang fordern große Behandlung, denn sie enthalten die Sprache, welche alle Zeitalter und alle Nationen über das höchste und heiligste der Menschen gesprochen. ... Alle Werke des Geistes gehören der Nation, gehören der Menschheit an, und in diesem Sinne allein krönen sie den Besitzer mit dem Golde ihres Reichtums. - Darum ist das Heiligste ihrer Hallen geöffnet und jeder Auserwählte zum freien Genusse gastfreundlich berufen".
Wenn aber das Kulturgut grundsätzlich der Öffentlichkeit gewidmet ist, wie steht es um seinen Inhalt und seinen Informationsgehalt, um die Gedanken, die es verkörpert? Zur Debatte steht also nicht das Sacheigentum, sondern das Immaterialgüterrecht, das geistige Eigentum. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß Kulturgut technisch geeignet ist, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen (BVerfGE 27, 71) - aber ist es nicht auch dazu bestimmt? Diese Bestimmung oder Widmung zur allgemeinzugänglichen Informationsquelle im Sinne des Artikel 5 des Grundgesetzes ist im Kern unabhängig von einem innerstaatlichen Normakt, der gleichsam das Denkmalkennzeichen im Sinne der Haager Konvention anbringen würde. Es gibt schützenswertes Kulturgut, das vor den Augen der zuständigen deutschen Behörden als Geschichtsquelle vernichtet wurde und wird, etwa die Reste der Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek zu Donaueschingen mit der einzigartigen Bibliothek des Joseph von Laßberg, um die sich auch das Deutsche Literaturarchiv in Marbach nicht im geringsten gekümmert hat. Internationale Verträge und gemeinsame kulturelle Grundwerte in den nationalstaatlichen Rechtsordnungen weltweit geben einen normativen Kulturgutbegriff vor, der im Extremfall auch gegen die herrschende Auslegung von deutschem Verfassungs- und Landesrecht zur Geltung gebracht werden kann. Wenn Kulturgut aber eine allgemeinzugängliche Informationsquelle darstellt, so sind alle Regelungen, die den möglichen Rechtsanspruch auf Benutzung und Zugang betreffen, am Grundrecht der Informationsfreiheit zu messen.
Sieht man mit Thomas Hoeren als Leitfrage des Informationsrechts die nach den Ausschließlichkeitsrechten, wird man es für plausibel halten müssen, aus der Allgemeinzugänglichkeit von Kulturgut, aus seiner Widmung an die Öffentlichkeit die Folgerung zu ziehen, daß sich ausschließliche Rechte - zumal nach dem Ablauf der urheberrechtlichen Schutzfrist - an ihm nicht begründen lassen.
Es versteht sich von selbst, daß in einem digitalen Zeitalter der Zugang zu Kulturgut nicht auf den körperlichen Kontakt, die unmittelbare Vorlage des Objekts beschränkt bleiben darf, sondern alle möglichen Reproduktions- und Verwertungsformen - Edition, Abbildung, Replik - einzubeziehen hat. Die Bestandserhaltung, also konservatorische Gründe, verweist die breite Öffentlichkeit etwa bei handschriftlichen Sammlungen oder Handzeichnungen ohnehin auf indirekte Formen der Kenntnisnahme.
Noch ein Wort zu den öffentlichrechtlichen Rahmenbedingungen. Kulturguterhalt ist eine öffentliche Aufgabe, und wenn der Staat private Initiativen auf diesem Gebiet fördert und entsprechende Privatisierungsmaßnahmen durchführt, bedeutet das nicht, daß er nicht gehalten wäre, den Grundrechten und den Grundsätzen des öffentlichen Rechts in den vielfach nach wie vor von ihm beherrschten oder kontrollierten Institutionen Geltung zu verschaffen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Art und Weise, wie die LandesGesetzGeber die Archive der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten aus den Archivgesetzen ausgenommen haben, kann aus archivfachlicher Sicht nicht als akzeptabel bezeichnet werden. Von der öffentlichen Hand finanziell oder anderweitig beherrschte Institutionen können sich nicht einfach auf die Privatautonomie berufen, die "Flucht ins Privatrecht" sollte ihnen verwehrt werden.
Ich wende mich nun dem Urheberrecht zu, einer vergleichsweisen jungen Institution. Noch am Ende des 18. Jahrhunderts wurde in Deutschland in der aufklärerischen Debatte um den Büchernachdruck das Konstrukt des geistigen Eigentums entschieden bezweifelt. Der Gedanke der persönlichen geistigen Schöpfung wurzelt sehr stark in der Genieästhetik und in Autorkonzeptionen, von denen sich eine einflußreiche Strömung literaturwissenschaftlicher Theoriebildung bereits vor Jahrzehnten verabschiedet hat. Die herrschende juristische Dogmatik des Urheberrechts, jahrzehntelang eine Art Meinungsdiktatur, wurde jedoch nicht müde, dem individuellen Schöpfertum zu huldigen. Eine einflußreiche Verwerterlobby, die vorgab den Interessen der Autoren zu dienen, hatte den GesetzGeber fest im Griff. Die im Interesse der Allgemeinheit errichteten Schranken des Urheberrechts wurden von der Rechtsprechung und insbesondere vom Bundesgerichtshof extrem eng ausgelegt. Daß die Kommunikationsgrundrechte im Urheberrecht eine Rolle spielen könnten, wollte man lange nicht wahrhaben.
Man muß sich nur einmal die kleinliche BGH-Entscheidung "Museumskatalog" von 1994 durchlesen (BGHZ 126, 313), um festzustellen, wie wenig die bisherige Rechtsprechung zur sogenannten Katalogbildfreiheit (§ 58 UrhG) den Interessen der kulturgutverwahrenden Institutionen Rechnung trug. Es ging um das Frankfurter Städel, dem man vorhielt, es hätte das von ihm veröffentlichte Gemäldeverzeichnis zu einem Kunstbildband werden lassen, der den sogenannten "Werkgenuß" auch unabhängig von einem Museumsbesuch vermittelt hätte. Dem Diktat einer Richtlinie der EU folgend, hat man bei der derzeit im parlamentarischen Verfahren befindlichen Novellierung des Urheberrechtsgesetzes den Museen nur für Werbezwecke eine Online-Wiedergabe ihrer Kunstwerke gestattet. Da das Urheberrecht so sehr auf das geistige Eigentum abhebt, frage ich mich, wieso bei der Auslegung des Katalogbild-Paragraphen nicht das Eigentumsrecht des Museums an seinen Exponaten erheblich mehr in die Waagschale geworfen wurde. Hier hat eine restriktive Rechtsprechung eine vom GesetzGeber durchaus nicht eng intendierte Schrankenbestimmung praktisch fast bedeutungslos werden lassen, denn sobald ein Museum sich mittels einer Buchhandelsausgabe oder auch mit einem Verkauf nach Ende der Ausstellung an die interessierte Öffentlichkeit wendet, wird ihm die Berufung auf die Katalogbildfreiheit von der VG Bild-Kunst verwehrt.
Neben der Schwächung der Schranken steht der kaum gezügelte Eifer, auch noch die unbedeutendsten Hervorbringungen des menschlichen Geistes mit der Weihe des Urheberrechtsschutzes zu nobilitieren. Ein solcher Schutz der sogenannten "kleinen Münze" war, wie Hoeren treffend bemerkt, zu einer Zeit vielleicht angemessen, als die Schutzdauer nach dem Gesetz von 1870 mit 30 Jahren nach dem Tod des Autors vergleichsweise kurz bemessen war. Aber heute beträgt die Schutzdauer nicht weniger als 70 Jahre post mortem auctoris.
Vorgaben des europäischen Rechts führen dazu, daß auf dem Feld des Fotorechts für das sogenannte einfache Lichtbild des § 72 UrhG nicht mehr viel übrigbleibt. So hat der österreichische OGH ein simples Foto einer Radlergruppe zum Lichtbildwerk erhoben. Wenn diese Ansicht Schule macht, dann wird man sich überlegen müssen, welche Art von Fotos dann noch vom Leistungsschutzrecht der einfachen Lichtbilder erfaßt werden. Man könnte dabei an die sogenannte Reproduktionsfotografie denken, die eine zweidimensionale Vorlage originalgetreu wiedergibt. Damit aber wäre die nach wie vor gültige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der seit seiner Entscheidung Bibel-Reproduktion eine gewisse persönliche Leistung verlangt, gefährdet. Daß bei Fotokopien und dem Einsatz eines Flachbettscans kein geschütztes Lichtbild entsteht, dürfte unstrittig sein. Die Fotografenlobby kritisiert jedoch den Ausschluß der Reproduktionsfotografie durch den Bundesgerichtshof. Ich halte diese Kritik für verfehlt, denn bei der originalgetreuen Wiedergabe einer zweidimensionalen Vorlage ist für persönliche Originalität oder eine persönliche Note kein Platz. Daher begrüße ich auch die 1999 in den USA gefällte Entscheidung im Fall Bridgeman vs. Corel, die Gemäldefotografien nicht für copyrightfähig hielt. Auch aus Japan kann man ein entsprechendes Urteil anführen. Wie man beispielsweise bei der Reproduktion eines historischen Holzschnitts erkennen soll, ob sie durch Fotokopierer, Flachbettscanner, fest montierte Reproduktionskamera oder freihändig erstellt wurde, ist mir ein Rätsel. Davon aber hängt es ab, ob man von einem Leistungsschutzrecht ausgehen darf.
Neben der Ausweitung des Schutzwürdigen steht die Remonopolisierung von Werken mit bereits abgelaufener Schutzfrist, also das Wiederaufleben des Schutzes. Bis 1995 galt der Grundsatz, daß Lichtbildwerke, deren Schutz bereits abgelaufen war, nicht in den Genuß einer Schutzfristverlängerung kamen. Damals waren die vor 1960 erschienenen Lichtbildwerke nicht mehr geschützt. Da aber die Schutzdauerrichtlinie der EU es genügen ließ, wenn nur in einem der Mitgliedstaaten der Schutz am 1.1.1995 noch nicht abgelaufen war und Spanien eine extrem lange Schutzdauer kannte, sind heute alle Lichtbildwerke 70 Jahre nach dem Tod ihres Urhebers geschützt, auch solche, die jahrelang bereits gemeinfrei gewesen waren.
Aus den USA kommt das Schlagwort Public Domain, für das die deutsche urheberrechtliche Literatur den wesentlich weniger zugkräftigen Begriff Gemeinfreiheit bereithält. Man hat daher als Übersetzung des angelsächsischen "commons" den historischen Rechtsbegriff der Allmende in Vorschlag gebracht, der das gemeinschaftlich genutzte Landbezeichnet. Ebenso findet man unter den Stichworten Copyduty, Copyleft oder Copywrong im Internet eine Fülle von Initiativen, die schlicht und einfach anzweifeln, daß die hergebrachten Grundsätze des geistigen Eigentums gegenwartstauglich sind. Eine einflußreiche Allianz unter dem Rechtsprofessor Lawrence Lessig bemüht sich derzeit vor dem Supreme Court, die Schutzfristverlängerung in den USA zu Fall zu bringen. Einflußreiche US-Juristen bezweifeln, daß das Urheberrecht in der heute praktizierten Form noch geeignet ist, die Kreativität zu fördern - das Gegenteil scheint der Fall, ein globalisiertes Urheberrechtsregime lähmt den geistigen Austausch und benachteiligt einmal mehr die Länder der Dritten Welt. In Deutschland formiert sich der Widerstand erst allmählich. Immerhin hat die Initiative Privatkopie schon fast 37.000 Unterschriften für ein durchsetzbares Recht auf Privatkopien gesammelt.
Einen Vorgeschmack auf die von den großen Konzernen gesteuerte künftige Informationsdiktatur des Digital-Rights-Management gibt das Leistungsschutzrecht der einfachen Datenbanken, das für alle etwas aufwendigeren Onlinepublikationen gilt. Unter Berufung auf dieses Recht sollen alle sogenannten DeepLinks verboten werden. Werden amtliche Werke wie Gesetze oder Gerichtsurteile in eine solche Datenbank eingestellt, so sind sie nicht mehr gemeinfrei, sondern unterliegen dem Ausschließlichkeitsrecht des Datenbankherstellers. Dieses Schutzrecht kennt keine Liste von Schrankenbestimmungen mehr, es dürfen lediglich unwesentliche Teile aus der Datenbank entnommen werden, aber nur, wenn dies der normalen Auswertung nicht zuwiderläuft und die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers nicht unzumutbar beeinträchtigt (§ 87b UrhG). Es liegt auf der Hand, daß der Bürger bei einer solchen Generalklausel, die in ihrer Offenheit an die amerikanischen Fair-Use-Regelung erinnert, nicht mehr genau wissen kann, was er darf und was nicht. Aber wer eine solche Datenbank unbefugt verwertet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahre oder Geldstrafe bestraft (§ 108 UrhG) - eine solche Kriminalisierung ist für mich mit dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 GG nicht vereinbar.
Gerade im Bereich der kulturgutverwahrenden - vielleicht sollte ich besser sagen: kulturgutkontrollierenden Institutionen steht der Gedanke von Public Domain oder Allmende auf verlorenem Posten. Die Händler haben sich im Musentempel fest eingenistet. Daß historische Werke keinem Urheberrechtsschutz mehr unterliegen, weil dieser befristet ist - derzeit auf 70 Jahre nach dem Tod des Autors - spielt nur im Verhältnis zu den Rechteinhabern eine Rolle, nicht aber bei der Tarifgestaltung von Benutzungsentgelten. Dabei hatte der BundesGesetzGeber die Befristung seinerzeit so begründet: "weil Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst anders als körperliche Gegenstände ihrer Natur nach Mitteilungsgut sind und nach einer die geistigen und wirtschaftlichen Interessen des Urhebers und seiner Erben angemessen berücksichtigenden Frist der Allgemeinheit frei zugänglich sein müssen". Frei bedeutet hier: kostenfrei, ohne Lizenz- oder Benutzungsgebühren. Nicht nur für das Markenrecht gilt, was zwei Juristen in der renommierten Zeitschrift GRUR kürzlich so formulierten: "Die zeitliche Begrenzung des Urheberrechts hat nicht nur bloß eine negative Ausschlußfunktion. Sie hat vor allem auch die positive Zuordnungsfunktion, urheberrechtliche Werke dem Gemeingebrauch zur Verfügung zu stellen" (Artur Wandtke/Winfried Bullinge: Die Marke als urheberrechtlich schutzfähiges Werk, GRUR 1997, 573, 577).
Diese Fomulierung stammt allerdings ausweislich der Fn. 56 aus Rehbinder, Urheber- und Verlagsrecht, 9. Aufl. 1996, S. 214. -- RalfZosel
Die Bildagenturen und die kulturgutverwahrenden Institutionen differenzieren nicht nach geschützten und gemeinfreien Fotografien, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind so formuliert, daß ja kein Schlupfloch für ungenehmigte Verwertungen bleibt. Die sogenannten Reproduktionsgebühren, die sich bei der Abbildung zweidimensionaler Vorlagen nicht auf das Urheberrecht berufen können, sind nach dem Vorbild urheberrechtlicher Tarife gestaffelt, sie richten sich bei Druckpublikationen nach der Auflagenhöhe und werden bei jedem erneuten Abdruck fällig. Sie sind nach meiner festen Überzeugung nicht mit dem gesetzlichen Leitbild der Befristung des Urheberrechts vereinbar, da sie ein durch vertragliche Regelungen fingiertes neues Immaterialgüter- und Ausschließlichkeitsrecht für die Institutionen reklamieren. Ebensowenig sind sie vereinbar mit der eingangs skizzierten Bestimmung von Kulturgut als kulturellem Allgemeingut.
Es gibt keine explizite Debatte über diese die Ethik der Archive, Bibliotheken und Museen wesentlich berührende Frage. Die Habgier der Kämmerer, die Einnahmen sehen wollen, läßt keinen Zweifel zu. So kassiert man denn diskret weiter und ignoriert Kritik und Kritiker.
Reproduktionsgebühren und Auslagen für Bildrechte sind zu einem gravierenden Hindernis für wissenschaftliche Arbeiten geworden. Der wissenschaftliche Verband der Paläographen ("[[http://www.wissen.de/xt/default.do?MENUID=40,5374,504,538&MENUNAME=InfoContainer&OCCURRENCEID=3068259.3725183.TM01-FullContent&WissenID=PdugWH2w2E8MNHY2TDo00Lo77fsgrhsGJhabIPn5eLEj8Z09Z09l|-3846656971201373736/182718475/6/7062/7062/7003/7003/7062/-1|-4908492827426659472/182718474/6/7062/7062/7003/7003/7062/-1|1037803608675|Paläographie]]") hat einen Aufruf gegen Reproduktionsgebühren gestartet, der alle Handschriftenbibliotheken bittet, für wissenschaftliche Zwecke von solchen Entgelten abzusehen, da für paläographische Studien eine ausgiebige Bebilderung erfordern. Und wenn für eine einzige Seite im Internet pauschal 50 Euro oder mehr gezahlt werden muß, dann ist das für ein unabhängiges Digitalisierungsprojekt nicht zu leisten. Ich verweise auf die Ausführungen von Frau Rechtsanwältin Clausing auf der Internetseite http://www.hypernietzsche.org/ und darf sie zitieren: "Fraglich ist, ob allein aus den Eigentümerrechten die derart hohe Gebühr [50 Euro pro Seite aus dem Goethe und Schiller Archiv] gerechtfertigt werden kann. Dagegen spricht, dass dadurch der Unterschied zwischen Urheber- und Eigentümerrechten verwischen werden würde. Die Zubilligung einer solchen Reproduktionsgebühr würde praktisch auf die ewige Verlängerung des Urheberrechts mit seinen Nutzungsrechten hinauslaufen. Dies war vom GesetzGeber im Interesse der Allgemeinheit gerade nicht bezweckt".
Es ist ein schwacher Trost, daß es sich um ein unechtes Immaterialgüterrecht handelt, da Dritte nicht mit dinglicher Wirkung zur Zahlung der Entgelte verpflichtet werden können. Hier gilt immer noch die alte Entscheidung Apfelmadonna des Bundesgerichtshofs (BGHZ 44, 288-303). Sowohl aus der Sicht des Urheberrechts als auch aus wettbewerbsrechtlicher Sicht ließ das Gericht die originalgetreue Nachbildung einer gotischen Madonna in einem Aachener Museum durch einen Bildhauer zu. Er hatte die Vorlage eines Händlers benutzt, dem das Museum exklusiv die Verwertungsrechte für Nachbildungen übertragen hatte. Wenn es aber um Unbekanntes geht oder um Vorlagen, die sich in einer Datenbank befinden, so muß sich der Erstverwerter entweder auf das Diktat der Vertragsbedingungen einlassen oder aber auf eine Publikation verzichten.
Mein Fazit kann nach dem Dargelegten nicht weiter überraschen: Kulturgut in Archiven, Bibliotheken und Museen ist der Allgemeinheit gewidmet und eine allgemeinzugängliche Informationsquelle im Sinne der grundgesetzlich garantierten Informationsfreiheit. Es ist auch in reproduzierter Form keine Ware, die ohne Verstoß gegen die Grundsätze institutioneller Ethik nach dem Vorbild des kommerziellen Bildermarkts bedenkenfrei vermarktet werden kann. Mit der Befristung des Urheberrechts ist die kommerziell motivierte umfassende Kontrolle jeder Verwertung von gemeinfreiem Kulturgut nicht vereinbar. Die Händler müssen aus dem Tempel wieder vertrieben werden.
Mehr zum Thema auf der Seite - Rechtsfragen der Nutzung von KlausGraf.
Siehe auch den Artikel von Rita Gudermann in der ZEIT vom 8.1.2004 zum Thema digitale Bildrechte.