Fotografieren fremder Sachen - Urheberrecht und Eigentumsrecht
Immaterialgüterrecht (hier: das UrheberRecht) und SachenRecht sind in brisanter Weise aufeinander bezogen, wenn es um das Fotografieren fremder Sachen und die gewerbliche Verwertung dieser Fotografien geht.
Handelt es sich um urheberrechtlich geschützte Gegenstände, so gilt hier die Sonderregelung der sog. Panoramafreiheit (§ 59 UrhG). In Deutschland dürfen beispielsweise Gebäude eines noch lebenden Architekten ohne weiteres fotografiert und die Fotos kommerziell verwertet werden, wenn die Gebäude sich an öffentlichen Strassen befinden.
Der BGH hat aber jüngst einschränkend entschieden, dass ein Fotograf, der das berühmte Wiener Hundertwasserhaus von einer gegenüberliegenden Wohnung aufnehmen wollte, sich nicht darauf berufen kann - kritisiert wurde dies im WebLog Netbib
Internetquellen zur Panoramafreiheit:
REMUS-Szenario zur Fotografie von Universitätsgebäuden
Schmidtmayr/Knyrim behandeln vor allem die österreichische Rechtslage in JurPC 2001
RechtsAnwalt Seiler hat auf seiner Seite zum Fotorecht einige Materialien zusammengetragen
Warum die in der FAZ vom 3.1.2004 S. 41 vorgetragene Ansicht, nach der jüngsten Urheberrechtsnovelle sei die Wiedergabe im Internet nicht von der Panoramafreiheit umfasst, abwegig ist, wird in der Mailingliste URECHT begründet, wo auch die Vorgängervorschrift § 20 KUG wörtlich wiedergegeben wird.
In Frankreich gibt es aber keine Panoramafreiheit! Hinweise dazu von Dr. Daniel Kötz in einem Artikel in Photographie 2002 sowie im Artikel der Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Panoramafreiheit
Eine Entscheidung des österreichischen OGH vom 29.1.2002 (Zusammenfassung) bejaht den Anspruch des Eigentümers bei einer Werbefotografie (hier: von einem Schwimmbad), die unter Verletzung des Hausrechts gefertigt wurde.
Hinweis: Diese OGH-Entscheidung ist mit Suchmaschinen nicht im Volltext aufzuspüren, sie ist aber im Rechtsinformationssystem des öst. Bundeskanzleramts eingestellt, wo man sie mit den Suchworten Schwimmbad und Verwendungsanspruch rasch findet - eine direkte Verlinkung ist anscheinend unmöglich.
Vergleichbar damit sind die Ausführungen des BGH in der Entscheidung Testfotos II von 1996:
Entgegen der Revisionserwiderung ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar mit der Konstellation, die der Senatsentscheidung "Friesenhaus" (Urt. v. 9.3.1989 - I ZR 54/87, GRUR 1990, 390) zugrunde lag. In diesem Fall ging es um die Aufnahme eines im fremden Eigentum stehenden Hauses von einer allgemein zugänglichen Stelle aus. Da die Aufnahme ohne Beanspruchung der Eigentumsrechte des Hauseigentümers hatte gefertigt werden können, standen ihm keinerlei Abwehrrechte zu. Anders verhält es sich im Streitfall: Auch wenn das Geschäftslokal der Klägerin der Öffentlichkeit während der Öffnungszeiten im allgemeinen ohne weiteres zugänglich ist, gründet sich dieser Zugang doch auf das Hausrecht des Geschäftsinhabers, das dieser im allgemeinen auch zu einer Beschränkung der Zugangsmöglichkeiten nutzen kann; hierzu zählt das (konkludent erklärte) Fotografierverbot. Eine Parallele läßt sich insofern zu der Senatsentscheidung "Schloß Tegel" ziehen: Dort wurden dem Hauseigentümer Abwehrrechte hinsichtlich der gewerblichen Verwertung von Fotografien zugebilligt, die nur von dem Hausgrundstück aus aufgenommen werden konnten (Urt. v. 20. 9. 1974 - I ZR 99/73, GRUR 1975, 500).
Die Entscheidung Schloss Tegel kann online nachgelesen werden, "Friesenhaus" in einer gekürzten Fassung.
Der teilweise heftigen Kritik an "Schloss Tegel" (am überzeugendsten von Kübler vorgetragen) möchte der Erstersteller dieser Seite voll und ganz beipflichten.
So schreibt Haimo Schack, Urheber- und Urhebervertragrecht, Tübingen ²2001, S. 18f. Rdnr. 39: "Mit der Schaffung dieses neuen auf § 1004 [BGB] gestützten ewigen Ausschließlichkeitsrechts sprengt der BGH das System des Sachen- wie des Immaterialgüterrechts: Sobald das Werk gemeinfrei geworden ist, soll der Eigentümer auf Dauer verbieten dürfen, was bis dahin nur dem Urheber befristet erlaubt war. Das kann nicht richtig sein. Die Lösung liegt vielmehr im Vertragsrecht."
Es lohnt, die BGH-Entscheidung "Friesenhaus" ausführlich zu zitieren:
Bei der Frage, ob das in Rede stehende Fotografieren als Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 BGB anzusehen ist, ist auf den Begriff und Inhalt des Eigentums zurückzugehen. Der Eigentumsbegriff wird (mittelbar) durch § 903 BGB dahin umschrieben, daß der Eigentumer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann. Diese Zuordnung positiver und negativer Befugnisse bringt zum Ausdruck, daß das Eigentum als das umfassendste Herrschaftsrecht zu begreifen ist, das die Rechtsordnung an einer Sache zuläßt (vgl. Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Aufl., § 51 II; Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 14. Aufl. 1987, § 24 I 1). Dieses Herrschaftsrecht schließt die rechtliche Verfügungsmacht und die sich insbesondere im Besitzen und Benutzen äußernde tatsächliche Herrschaft ein (vgl. BGH GRUR 1975, 500, 501 - Schloß Tegel). In rechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, daß der Fotografiervorgang als Realakt die Verfügungsbefugnis des Eigentümers unberührt läßt. Eines Rückgriffs auf § 59 UrhG, wie ihn das Berufungsgericht vorgenommen hat, bedarf es insoweit nicht. Es fehlt aber auch an einer tatsächlichen Einwirkung auf das Eigentum. Diese kann nach der Rechtsprechung zwar nicht nur durch eine Substanzverletzung, sondern auch durch eine sonstige die tatsächliche Herrschaftsmacht des Eigentümers treffende Einwirkung auf die Sache erfolgen (vgl. BGHZ 55, 153, 159; BGH, Urt. v. 21.6.1977 - VI ZR 58/76, NJW 1977, 2264, 2265). Es handelt sich dabei um Fälle, in denen der Eigentümer in der tatsächlichen Nutzung seiner Sache beeinträchtigt wird, indem deren Benutzung be- oder verhindert wird (vgl. auch BGHZ 63, 203, 206). Darum geht es beim Fotografieren eines Hauses von einer allgemein zugänglichen Stelle aus nicht. Der Fotografiervorgang hat keinerlei Auswirkungen auf die Nutzung der Sache selbst. Er hindert den Eigentümer nicht daran, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und stört ihn auch nicht in seinem Besitz.
Eine andere Auffassung würde auf die Anerkennung eines Ausschließlichkeitsrechts an dem in der Sache verkörperten immateriellen Gut hinauslaufen und damit den grundsätzlichen Unterschied zwischen dem Eigentum an einer körperlichen Sache und dem Urheberrecht als Immaterialgüterrecht verkennen. Beide haben eine unterschiedliche Schutzrichtung und einen verschiedenen Inhalt. Die bürgerlich-rechtliche Besitz- und Eigentumsordnung dient dem Schutz der Sachherrschaft über die körperliche Sache, während Gegenstand des Urheberrechts das unkörperliche, geistige Werk ist (vgl. BGHZ 44, 288, 293 f - Apfel-Madonna). Dementsprechend ist die (tatsächliche und rechtliche) Sachherrschaft des Eigentümers über die konkrete Sache von der dem Urheber vorbehaltenen Werkverwertung in den Verwertungsformen der §§ 15 ff UrhG zu trennen. Die äußere, wertfreie Sachgestaltung, die nicht nur durch den Anblick des körperlichen Gegenstandes, sondern auch durch sein Abbild vermittelt wird, wird vom Eigentumsrecht nicht erfaßt; ist sie das Ergebnis einer geistigen Schöpfung, so unterfällt sie ausschließlich den dem Urheber zugewiesenen Befugnissen (vgl. Kübler aaO. S. 59). Die Abbildung einer Sache stellt sich dann als eine Vervielfältigung des immateriellen, geistigen Werkes dar; sie unterfällt dem urheberrechtlichen Verwertungsrecht. Die Zubilligung eines entsprechenden Ausschließlichkeitsrechts zugunsten des Sacheigentümers würde dem Wesen des Urheberrechts und seiner Abgrenzung gegenüber der sachenrechtlichen Eigentumsordnung zuwiderlaufen. Die Regelung der Abbildungsfreiheit für die an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befindlichen Bauwerke in § 59 UrhG (früher § 20 KUG) läßt erkennen, daß dem Gesetzgeber des UrhG - und vor ihm dem des KUG - selbstverständlich war, daß dem Eigentümer kein Nutzungs- und Verbietungsrecht zusteht. Andernfalls wäre es unverständlich, daß er die Abbildungen von Bauwerken urheberrechtlich freigibt, wenn sie gleichwohl aus dem Eigentumsrecht bürgerlich-rechtlich zu untersagen wären.
Dem Eigentümer verbleibt kraft der Sachherrschaft, die ihm das Eigentum verleiht, die Möglichkeit, andere vom Zugang zu der Sache bzw. vom Anblick auf die Sache (bei einem Gebäude zum Beispiel durch eine Grundstückbepflanzung) auszuschließen und ihnen damit auch die Nachbildungsmöglichkeit abzuschneiden oder doch weitgehend zu erschweren (vgl. BGHZ 44, 289, 295 - Apfel-Madonna).
Das sind dogmatisch klare Worte, die im wesentlichen die Kritik Küblers an "Schloss Tegel" bestätigen.
"Das OLG Köln (GRUR 2003, 1066 f. -"Wayangfiguren") hat entschieden, dass es - in Anlehnung an das gesetzlich normierte Recht am eigenen Bild - ein "Recht am Bild der eigenen Sache" nicht gebe. Der dortige Kläger war ein Kunstsammler, wobei die Sammlung nicht für die Öffentlichkeit zugänglich war. Er gestattete dem dortigen Beklagten, die Sammlung zu fotografieren, allerdings im Hinblick auf eine gemeinsam geplante Ausstellung. Nachdem sich die Parteien zerstritten hatten und die Ausstellung nicht zustande kam, wollte der Kläger dem Beklagten die Veröffentlichung der Fotos verbieten. Das OLG entschied, dass es kein "Recht am Bild der eigenen Sache" gebe. Der Eigentümer könne jedoch aus seinem Eigentumsrecht die Veröffentlichung der Fotos zu gewerblichen Zwecken verbieten, nicht jedoch, wenn die Fotos zu nicht gewerblichen Zwecken (hier: im Rahmen einer Dissertation) veröffentlicht werden." (Zusammenfassung von Wolfgang Riegger) Volltext hier
Im Nov. 2003 wurde in Brandenburg, der Fall der Verweigerung einer Foto-Erlaubnis an das renommierte Magazin "Geo Saison" durch die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten publik (Märkische Allgemeine, 25.11.2003). Da die Stiftung eigene Bilder, die den Massstäben von GEO nicht genügten, vermarkten wollte, zwang sie GEO, auf Fotos des Fotografen Ulf Böttcher, der sich mit der Stiftung streitet, zurückzugreifen.
Umstritten bleibt ein Fotografien betreffender Passus in der Stiftungssatzung, nach dem für Außenaufnahmen, die kommerziell verwertet werden sollen, Gebühren verlangt werden. "Das ist höchstrichterlich nicht entschieden", sagt Böttchers Rechtsanwalt Arne Ziervogel. Als "rechtlich bedenklich" wertet auch der Potsdamer Rechtsanwalt Torsten Schmidt das Vorpreschen der Stiftung. Eine gesetzliche Grundlage für das "Recht am Bild der eigenen Sache" existiert nämlich nicht. Im Wesentlichen beruft sich die Stiftung auf das "Schloss-Tegel-Urteil" des Bundesgerichtshofs (BGH). Dieses besagt, dass der Eigentümer allein über die Verwertung von Außenansichten eines Gebäudes bestimmen kann. Aufgrund massiver Kritik weichte der BGH dieses Urteil später wieder auf. Die Folge ist eine rechtliche Grauzone. Die Anwälte beider Parteien verhalten sich bislang abwartend, zu einer Klage ist es noch nicht gekommen. (Märkische Allgemeine)
Die Stiftung hat laut ORB-Nachricht vom 2.12.2003 inzwischen Fehler eingeräumt. (Link ist verwaist! Chirlu Doneb, 9.12.2015)
Hinweis zum gedruckten Schrifttum: Thomas Dreier, Sachfotografie, Urheberrecht und Eigentum, in: Urheberrecht. Gestern - Heute - Morgen. Festschrift für Adolf Dietz, 2001, S. 235-252 versucht sich an der Implementierung eines Immaterialgüterrechts in die Eigentumsdogmatik, wobei aber die entscheidende Frage offen bleibt, wieso dem Eigentümer ein ewiges Ausschliesslichkeitsrecht gewährt werden soll, das dem Urheber aufgrund seiner schöpferischen Tätigkeit mit guten Gründen nur befristet zugebilligt wird.
Wenn es um Kulturgüter geht, so stellt sich die im Beitrag FotoRecht aufgeworfene Problematik. OpenAccess sollte auch für Kulturgüter gewährleistet sein (siehe WebLog ARCHIVALIA).
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