Urteils-Stil
Während in der JuraKlausur und in der HausArbeit die Falllösungen im sog. Gutachten-Stil niederzuschreiben sind, ist im RechtsReferendariat dann meist der Urteils-Stil gefragt.
Grundlagen
Im Gegensatz zum Gutachtenstil wird das Ergebnis im Urteilsstil vorangestellt. Die einzelnen Sätze sollten dann so aneinanderpassen, dass der nachfolgende den vorangegangenen Satz voll begründet.
Hierbei hilft der Denn-Test:
- Die Klage ist begründet.
- DENN Der Kläger hat einen Anspruch.
- DENN Der Tatbestand des §666 ist erfüllt.
- DENN...
- DENN Der Tatbestand des §666 ist erfüllt.
- DENN Der Kläger hat einen Anspruch.
Allerdings muss der nachfolgende Satz den vorangegangenen Satz vollumfassend begründen.
Achtung: Hier entstehen häufig Fehler:
- Der Kläger hat einen Kaufpreisanspruch. (Denn) Der Beklagte hat ein Angebot gemacht. Falsch, weil ein Kaufpreisanspruch nicht allein deshalb besteht, weil ein Angebot gemacht wurde.
Beispiel: "Die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung gemäß § 433 Abs.2 BGB. Die Parteien haben einen Kaufvertrag geschlossen. Angebot und Annahme liegen vor. Das Angebot erfolgte durch das Schreiben des Beklagten vom .... Das Angebot hat der Kläger angenommen. Nach der Überzeugung des Gerichts hat er nämlich ... "
Also ganz im Gegensatz zum Gutachtenstil (Obersatz, Definition, Subsumtion, Ergebnis):
"... Ein Kaufvertrag setzt Angebot und entsprechende Annahme voraus. Der Beklagte hat... Der Kläger hat das Angebot angenommen. Daher ist ein Kaufvertrag geschlossen worden. Der Kläger hat somit einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung gemäß § 433 Abs.2 BGB. Die Klage ist also begründet."
Darstellung von Meinungen
Bsp.: Kündigungserklärung: Der AG stellt zu, während der AN im Urlaub ist.
- BGH jetzt: Trotzdem zugegangen, aber bei der Klagefrist zu berücksichtigen.
- AA: Noch nicht zugegangen
Anders als in der Universitätsklausur sind abweichende Meinungen in unterinstanzlichen Urteilen (Amtsgericht, Landgericht) aus Gründen der sprachlichen Überzeugungskraft nicht darzustellen. Die Adressaten der Entscheidungsgründe eines amts- oder landgerichtlichen Urteils sind ausschließlich die Parteien, und diese sind an wissenschaftlich-abgehobenen Darstellungen nicht interessiert. Daher stellt sich die Frage nach der Formulierung gar nicht. Dargestellt wird nur die eigene Meinung, von mehreren Lösungsmöglichkeiten also diejenige, die man anwendet.
Ohnehin ist der oben unter "Grundlagen" beschriebene eigentliche Urteilsstil nur dort anwendbar, wo logische Schlußfolgerungen zu Papier gebracht werden. Wo statt Logik jedoch Wertungen eine Rolle spielen, im unterinstanzlichen Urteil also regelmäßig bei der Auseinandersetzung mit problematischen Tatbestandsmerkmalen und bei der Beweiswürdigung, braucht man sich nicht durch irgendwelche angeblichen Erfordernisse eines Urteilsstils eingeengt zu fühlen.
Literaturhinweis: Danger, Urteil und Urteilsstil in der zivilrechtlichen Assessorklausur: Eine praktische Hilfestellung, JA 2005, S. 523 ff.
siehe auch Gutachten-Stil