Öffentlich-rechtliche Streitigkeit
Der Begriff der öffentlich-rechtlichen Streitigkeit taucht üblicherweise im VerwaltungsProzessRecht bei der Frage auf, ob der VerwaltungsRechtsWeg eröffnet ist, da dies nach der Generalklausel des § 40 I 1 VwGO notwendig ist.
- Öffentlich-rechtliche Streitigkeit
eine solche liegt vor, wenn die Streitigkeit auf einem öffentlich-rechtlichen RechtsVerhältnis beruht
Abgrenzung öffentlich-rechtliches / privatrechtliches Verhältnis
Das klingt zunächst so, als ob es nicht viel weiterhilft - tut es aber doch. Denn man kann anhand einiger Kriterien bestimmen, ob zwischen den beteiligten Personen ein öffentlich-rechtliches oder ein privatrechtliches Verhältnis vorliegt.
Kriterien sind:
ob auf einer Seite ein HoheitsTräger in seiner Eigenschaft als solcher beteiligt oder berechtigt ist (nur Indizwirkung, auch Behörden können privatrechtlich handeln - siehe FiskalischeHilfsGeschäfte)
- ob von staatlichen Befugnissen Gebrauch gemacht wird
ob die streitentscheidende Norm eine öffentlich-rechtliche ist
Dieses letzte Kriterium ist das am häufigsten verwendete, da es am einfachsten zu bestimmen ist.
Zur Bestimmung des Merkmals der öffentlich-rechtlichen Norm zieht man verschiedene Abgrenzungstheorien heran:
Die Interessentheorie
Die Interessentheorie fragt danach, ob die Norm eher dem Interesse der Allgemeinheit oder des Einzelnen zu dienen bestimmt ist; im ersteren Fall ist sie öffentlich-rechtlich, sonst privatrechtlich.
Problem: viele Normen dienen sowohl den Interessen der Allgemeinheit als auch denen des Einzelnen (siehe nur die SchutzNormTheorie). Entweder ist dann diese Theorie nutzlos, oder man geht nach dem Schwerpunkt, was letzten Endes auf eine bloße Gefühlsentscheidung hinausläuft und somit keine Rechtsklarheit bringt.
Die Subordinationstheorie
(auch: Über-Unterordnungstheorie, Subjektionstheorie)
Nach der Subordinationstheorie ist eine Norm dann öffentlich-rechtlich, wenn sie sich durch ein Über-Unterordnungsverhältnis zwischen den Beteiligten auszeichnet, weil dies kennzeichnend für das Verhältnis Staat-Bürger sein soll; dagegen liegt eine privatrechtliche Norm vor, wenn sie ein Gleichrangigkeitsverhältnis voraussetzt.
Problem: Auch im Öffentlichen Recht gibt es Gleichordnungsverhältnisse, so z.B. den ÖffentlichRechtlicherVertrag, der in Form eines Koordinatiosnvertrags zwischen zwei Gemeinden o.ä. Körperschaften geschlossen werden kann. Im Privatrecht gibt es außerdem auch Rangverhältnisse, so ist z.B. der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer übergeordnet, oder die Kinder im Familienverhältnis sind den Eltern untergeordnet.
Die modifizierte Subjektstheorie (h.M.)
(auch: Zuordnungstheorie, Sonderrechtstheorie)
Nach der modifizierte Subjektstheorie, die im übrigen h.M. ist, ist eine Norm dann öffentlich-rechtlich, wenn durch diese Norm auf der einen Seite ausschließlich ein Hoheitsträger gerade als solcher berechtigt oder verpflichtet wird.
Beispiel: Jede Bauordnung enthält eine Norm, nach der die Bauaufsichtsbehörde die Baugenehmigung erläßt. Wird jetzt z.B. die Kreisverwaltung als Bauaufsichtsbehörde tätig, so ist die entsprechende Norm streitentscheidend. Auf der einen Seite dieser Norm steht nur der Staat, nämlich die Bauaufsichtsbehörde, die insoweit auch hoheitlich, nämlich zur Gefahrenabwehr tätig wird; der Bürger kann niemals eine Baugenehmigung erlassen.
Beispiel: § 433 BGB dagegen ist eine privatrechtliche Norm, denn eine Behörde kann sowohl als Käufer als auch als Verkäufer auftreten.
Problem: Auch diese Theorie hat ein Problem, denn eigentlich ist sie ein Zirkelschluß: die Norm ist öffentlich-rechtlich, wenn ein Hoheitsträger tätig wird. Dieser wird aber nur dann als solcher tätig, wenn er öffentlich-rechtlich handelt.
Darum wird diese Theorie eben auch manchmal Sonderrechtstheorie genannt, weil man eigentlich danach fragt, ob es sich um Sonderrecht des Staates handelt oder um allgemeinen Rechtssätze, die für alle RechtsSubjekte gelten
Richtiges Verständnis
Wichtig: man sollte nicht den (häufigen) Fehler machen und nach der öffentlich-rechtlichen Streitigkeit folgendermaßen fragen:
Fraglich ist, ob eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt. Eine solche ist zu bejahen, wenn die streitentscheidende Norm öffentlich-rechtlich ist.
Auf Probleme stösst man dann nämlich immer, wenn es keine Norm gibt, sondern man sich auf Gewohnheitsrecht o.ä. stützt, z.B. wenn es um HausRecht in Behörden geht. Dieses ist nämlich bis auf einige Ausnahmen nicht gesetzlich geregelt.
Deshalb ist es wichtig, dass man den Zwischenschritt über das öffentlich-echtliche RechtsVerhältnis macht. Besser wäre also:
Fraglich ist, ob eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt. Dazu muss das zugrundeliegende RechtsVerhältnis ein öffentlich-rechtliches sein. Eine solches ist jedenfalls zu bejahen, wenn die streitentscheidende Norm öffentlich-rechtlich ist.
Den letzten Satz läßt man dann einfach weg, wenn es keine Norm gibt, und ermittelt einfach so anhand üblicher Kriterien, ob gerade ein Hoheitsträger als solcher tätig wird etc.
Klausurhinweis
Wenn der Charakter der Norm ganz eindeutig ist, macht man kein Problem aus der Frage der öffentlich-rechtlichen Streitigkeit und stellt das im UrteilsStil fest:
Vorliegend geht es um eine Norm des Baurechts; dieses dient der Gefahrenabwehr, daher ist die Norm und damit auch das zugrundeliegende Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlich. Folglich handelt es sich um eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher Art.
Wenn es dagegen nicht feststeht, geht man zunächst auf die modifizierte Subjektstheorie ein. Führt diese zu einem eindeutigen Ergebnis, geht man nicht noch einmal auf die anderen Theorien ein, sondern beendet hier die Bearbeitung dieser Frage und geht zum nächsten Punkt über.
Nur, wenn auch jetzt noch kein eindeutiges Ergebnis vorliegt, sollte man auf alle drei Theorien eingehen und dann am Schluß nicht, wie üblich, sich zwischen den dreien entscheiden, sondern vielmehr feststellen, dass in einer Gesamtschau der Ergebnisse dieser drei Theorien mehr für die eine und weniger für die andere Möglichkeit spricht, so dass man die Norm nun als das eine oder andere begreift.