Inhaltsverzeichnis
1. Worum geht's?
Beim WikiTreffen/2007-10-10 haben wir beschlossen, uns mal zu überlegen, wie eigentlich eine wiki-freundliche Gesetzgebung aussehen müsste. Das wollen wir auf dieser Seite besprechen und laden alle Interessierte herzlich zum Mitwirken ein.
Interessanterweise gibt es nur einen (!) Treffer für "WikiGesetz" bei Google, und den auch nur noch im Cache und in einem nicht-juristischen Zusammenhang. Mal gucken, wie sich die Google-Treffer weiter entwickeln.
Die Idee, Gesetze im Wiki zu entwickeln hat ja gerade Konjunktur, siehe LAWgical vom 04.10.07.
2. Gesetzeslage
Momentan ist die Gesetzeslage wie folgt: Der Hoster eines Wikis, also derjenige, auf dessen Server sich das Wiki befindet, kann durchaus für rechtswidrige Informationen, die ein anderer in diesem Wiki editiert, zur Verantwortung gezogen werden. Die Haftung des Hosters ist im TeleMedienGesetz vom 01. März 2007 geregelt (Telemediengesetz).
Nach § 10 I TMG haftet der Hoster für fremde Informationen immer dann, wenn er Kenntnis von diesen hat und sie nicht unverzüglich entfernt oder den Zugang zu ihnen sperrt. Sobald ein Wikibetreiber also sieht, dass sich auf seinem Wiki rechtswidrige Inhalte, wie zum Beispiel Beleidigungen, befinden, muss er sofort handeln.
In § 7 II TMG wird weiterhin ausdrücklich klargestellt, dass den Hoster keine Pflicht trifft, sein Wiki Tag und Nacht nach inkriminierten Informationen zu durchsuchen. Theoretisch muss sich der Betreiber eines Wikis folglich keine Sorgen machen, dass er für rechtswidrige Inhalte zur Verantwortung gezogen wird, von denen er nicht einmal weiß, dass sie sich auf seinem Wiki befinden.
3. Rechtsprechung
Die Rechtsprechung ist diesbezüglich leider etwas strenger und bejaht eine Überwachungspflicht des Hosters unter bestimmten Voraussetzungen. In dem berühmten Heise-Urteil entschied das LG Hamburg, dass der Betreiber eines Forums Vorkehrungen treffen müsse, damit keine rechtswidrigen Informationen in demselben verbreitet werden. Der Forenbetreiber müsse alle! Forenbeiträge vorab überprüfen, wenn er damit rechnen muss, dass sein Angebot missbraucht wird. Wann dies der Fall sein soll, ist unklar. Bei einem Wiki ist es natürlich nicht möglich, eine Vorabkontrolle durchzuführen, da der Nutzer seinen Beitrag direkt editieren kann. Auch wenn das OLG Hamburg diese Entscheidung relativierte, geht es im Grunde ebenso von einer allgemeinen Prüfungspflicht des Hostproviders aus.
3.1. BGH vom 27.03.07
Im März 2007 hatte der BGH einen Fall zu entscheiden, bei dem die Betreiberin eines Forums auf Unterlassung und Schadensersatz verklagt worden war, weil ein Nutzer das Persönlichkeitsrecht eines anderen Nutzers verletzt hatte (Az. VI ZR 101/06). Obwohl die Identität des Verletzers dem Kläger bekannt war, entfiel nach Ansicht des BGH nicht schon deshalb die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Beklagten. Weiterhin verneinte der BGH in dieser Entscheidung wiederholt die Anwendbarkeit des § 10 TMG auf das Institut der Störerhaftung. Dies hätte zur Folge, dass Hostprovider im Falle einer Klage auf Unterlassung oder Beseitigung nicht die Haftungsprivilegierung des § 10 I TMG in Anspruch nehmen könnten. Die Auslegung des BGH findet im Wortlaut des TMG keine Stütze.
3.2. Frankreich
Bei unseren Nachbarn erging kürzlich ein Urteil im Zusammenhang mit der Wikimedia Foundation. Ein anonymer Nutzer hatte drei Franzosen als Aktivisten der Schwulenbewegung bezeichnet, welche darauf hin Schadensersatz sowie die Feststellung der Identität des anonymen Wikipedia-Autors forderten. Das Gericht wies die Klage ab. Die Betreiber von Wikipedia seien nicht verpflichtet, alle Inhalte ständig zu überwachen und müssten eine Löschung inkriminierter Inhalte erst ab Kenntnis vornehmen.
4. Verbesserungsvorschläge
4.1. Haftungsprivilieg explizit auf Störerhaftung ausdehnen
Eine ausdrückliche Regelung zur Störerhaftung wäre wünschenswert. Ende diesen Jahres soll ein Evaluierungsbericht der Europäischen Kommission zum TMG erscheinen (BT-Drs. 16/3078, S. 12). Wir erwarten ihn mit Spannung.