VorlesungSb/ZPO2011/FragenVorlesung20111205 hier beschreiben...
Fragen zur Vorlesung vom 2011 12 05
- Lesen Sie § 138 Abs. 1, 2 und 3.
- Davon ausgehend: Was halten Sie von dem in vielen Klageerwiderungen immer wieder zu findenden Satz: „Alles, was im Nachfolgenden nicht ausdrücklich zugestanden wird, wird bestritten“?
- Nur ein den Anforderungen des § 138 Abs. 1 und 2 entsprechendes Bestreiten ist wirksam. Nach § 138 Abs. 2 hat die Partei "sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären". Für eine derartige Erklärung reicht ein pauschales Bestreiten mit den Worten „Alles, was im Nachfolgenden nicht ausdrücklich zugestanden wird, wird bestritten“ nicht aus. Folge ist, dass der nur pauschal bestrittene Sachvortrag nach § 138 Abs. 3 als unstreitig gilt. Deutlicher: wer den Satz „Alles, was im Nachfolgenden nicht ausdrücklich zugestanden wird, wird bestritten“ schreibt, verschwendet Papier und Arbeitskraft. Weitere Folgen hat der Satz nicht.
- Kann der Beklagte auch konkludent bestreiten?
- Ja, genau das ist nämlich gemeint, wenn es in § 138 Abs. 3 heißt: "wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht".
- Richtet sich die Darlegungslast des Beklagten auch danach, wie substantiiert der Kläger vorträgt?
- Ja, es gelten unterschiedliche Anforderungen an das Bestreiten, die sich grundsätzlich danach richten, wie konkret (substanziiert) der gegnerische Vortrag ist: Ein einfaches Bestreiten („es stimmt nicht, dass ich einen Mietvertrag mit X geschlossen habe„) genügt grds., wenn der Vortrag des Gegners auch nicht konkreter war. Dagegen ist ein substantiiertes Bestreiten erforderlich, d.h. auch eine Angabe der Gründe, warum die Sachverhaltsdarstellung des Gegners unrichtig sein soll, wenn der Gegner einen konkreteren Geschehensablauf schildert.
- Kann man wirklich sagen, der der Beklagte müsse umso mehr vortragen, wie der Kläger vorträgt, um wirksam zu bestreiten?
- Man kann nicht: der Beklagte muss nur dann "mehr" vortragen, wenn infolge des substantiierteren Vortrag des Klägers unklar wird, ob ein Einwand, für den der Beklagte die Darlegungslast trägt, vorliegt.
- Was ist unter dem Begriff „sekundäre Darlegungslast“ zu verstehen?
- Von sekundärer Darlegungslast spricht man, bei der Pflicht einer Prozesspartei trotz Beweisbelastung des Gegners zur Auskunft, wenn die nach den allgemeinen Grundsätzen beweisbelastete Partei "außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt" dem Gegner aber eine Auskunft möglich und zumutbar ist.
- Welche Gefahr läuft der Beklagte, wenn er aus taktischen Gründen Sachvortrag zurück hält?
- Der Beklagte läuft Gefahr mit seinem Vorbringen gemäß §§ 296 II, 296a ZPO präkludiert zu werden. Sein Vorbingen wird dann vom Gericht zurückgewiesen und bleibt unberücksichtigt.
- Lesen Sie § 138 Abs. 4 ZPO.
- Kann der Beklagte auch dann mit Nichtwissen bestreiten, wenn er sich nähere Auskünfte von Personen einholen kann, die unter seiner Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig wurden?
- Nein, der Beklagte muss im Rahmen seiner Möglichkeiten die Informationen einholen. Bei Personen, die unter seiner Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig werden, kann es dem Beklagten in der Regel nicht allzu schwer sein, die Auskünfte bei diesen einzuholen.
- Welche Folgen hat die Zurückweisung verspäteten Vorbringens?
- Die Zurückweisung verspäteten Vorbringens nach den §§ 296, 296a ZPO hat zur Folge, dass das Gericht diese nicht berücksichtigt. Im Falle des § 296 I ZPO kann die Zurückweisung dazu führen, dass der Klägervortrag als unbestritten gilt und bei Schlüssigkeit der Klage der verspätet vortragende Beklagte verurteilt wird. Auch im Fall des § 296 II ZPO, der auf § 282 ZPO verweist, kann ein verspätetes Vorbringen bedeuten, dass die Tatsache, die die andere Partei vorgetragen hat, unbestritten bleibt und es deshalb entweder zur Verurteilung oder zur Abweisung der Klage kommt. Zudem bleiben in der Berufungsinstanz rechtmäßig zurückgewiesene Angriffs- und Verteidigungsmittel der ersten Instanz gemäß § 531 I ZPO unberücksichtigt.
- Was also ist der Sinn des § 296?
- Der Sinn des § 296 ZPO liegt darin, den Prozess zu beschleunigen. Er ist damit Ausdruck des Konzentrationsgrundsatzes. Der Gesetzgeber nimmt es hin, dass durch die Zurückweisung ein falsches Urteil herauskommt, um dabei den Prozess zu beschleunigen und Verzögerungen zu vermeiden.
- Wodurch unterscheiden sich die Abs. 1 und 2 des § 296?
- § 296 I ZPO bezieht sich auf die Angriffs- und Verteidigungsmittel vor Prozessbeginn, also auf das rechtzeitige Vorbringen im frühen ersten Termin und im schriftlichen Vorverfahren sowie in der Klageerwiderung. § 296 II ZPO bezieht sich auf das rechtzeitige Vorbringen im Prozess.
- Wie bestimmt sich das Vorliegen einer Verzögerung in der Erledigung des Rechtsstreit (absoluter, relativer, kausaler Verzögerungsbegriff)?
- Der absolute Verzögerungsbegriff, den der BGH in ständiger Rechtsprechung vertritt, bestimmt die Verzögerung danach, ob im Vergleich der zu erwartenden Prozessdauer bei Zulassung des Vorbringens mit derjenigen, wenn das Vorbringen nicht zugelassen wird, eine Verzögerung vorliegt. Der BGH vergleicht also nur, ob das Vorbringen die Dauer des Prozesses verlängert oder nicht. Der relative Verzögerungsbegriff, der von Teilen der Literatur vertreten wird, vergleicht die zu erwartende Prozessdauer bei Zulassung des Vorbringens mit der Prozessdauer bei unterstelltem rechtzeitigen Vorbringen. Hier wird also die Frage gestellt, ob gerade die Verspätung des Vorbringen den Rechtsstreit verzögert. In der Literatur wird in Abweichung zum absoluten Verzögerungsbegriff des BGH noch ein kausaler Verzögerungsbegriff vertreten. Dieser baut zwar auf dem absoluten Verzögerungsbegriff auf, allerdings verneint die Literatur in den Fällen, in denen selbst bei rechtzeigem Vorbringen keine schnellere Entscheidung ergehen konnte wegen Art. 103 GG die Kausalität der Verspätung für die Verzögerung. (Pohlmann § 6 Rn. 301 ff.)
- Wie kann der Beklagte die Zurückweisung seines Vorbringens umgehen (Flucht in Säumnis, Flucht in Widerklage)?
- Der Beklagte kann die Zurückweisung seines Vorbringens dadurch umgehen, dass er die Flucht in die Säumnis antritt. Sobald der Beklagte nicht verhandelt kann gegen ihn ein Versäumnisurteil nach § 331 I ZPO ergehen. Dann kann er gegen dieses mit dem Einspruch nach § 338 ZPO vorgehen und innerhalb der Einspruchsfrist auch neue Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen (§ 340 III ZPO), die nach §§ 296, 296a bereits präkludiert gewesen wären. Durch die Flucht in die Widerklage kann sich der Beklagte ebenfalls der Präklusion der §§ 296, 296a ZPO erwehren. Bei Widerklage handelt es sich nämlich nicht um ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel im Rahmen der §§ 296, 296a ZPO, sondern um eine neue Klage. Im Rahmen dieser Klage kann er dann die Angriffs- und Verteidigungsmittel, die gegen die Hauptklage präkludiert gewesen wären, erneut vorbringen, da sie im Rahmen der Widerklage noch nicht präkludiert sein können.
- Wie versucht der Gesetzgeber, eine Prozessverzögerung durch Aufrechnung zu verhindern?
- Der Gesetzgeber hat mit der Regelung in § 145 III ZPO die Möglichkeit geschaffen eine Prozessverzögerung durch Aufrechnung zu verhindern. Indem er dem Gericht erlaubt über die Aufrechnung getrennt von der Klage zu verhandeln, wenn diese nicht miteinander in rechtlichem Zusammenhang stehen, kann über die urspüngliche Klage trotz der Aufrechnung schnell entschieden werden. Zudem kann das Gericht bei Überzeugung vom Bestehen der Hauptforderung nach § 302 ZPO ein Vorbehaltsurteil erlassen, sofern der Streit über die Gegenforderung noch nicht spruchreif ist. (Pohlmann § 10 Rn. 531) Über die Aufrechnung mit der Gegenforderung wird dann in einem gesonderten Verfahren entschieden. In der Berufungsinstanz macht der Gesetzgeber in § 533 die Möglichkeit einer Aufrechnungserklärung von der Zustimmung der Gegenpartei oder der Sachdienlichkeitserklärung durch das Gericht abhängig oder davon, dass diese ohnehin im Prüfumfang des Berufungsgerichts nach § 529 lag.
- Was ist unter einer Prozessaufrechnung zu verstehen?
- Unter einer Prozessaufrechnung versteht man eine Prozesshandlung, durch die der Aufrechnende die materiell-rechtlichen Wirkungen der Aufrechung im Prozess geltend machen will.
- Was bedeutet es, wenn gesagt wird, die Prozessaufrechnung sei ein Doppeltatbestand?
- Die Prozessaufrechnung ist ein Doppeltatbestand, da die materiell-rechtliche Aufrechnung der §§ 387 ff. BGB und die Geltendmachung im Prozess voneinander zu unterscheiden sind. Es müssen also die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Aufrechnung nach BGB sowie die prozessualen Voraussetzungen, insbesondere die Prozeshandlungsvoraussetzungen für den Aufrechnenden, nach der ZPO vorliegen.
- Wird die Gegenforderung, mit der der Beklagte aufrechnet, rechtshängig?
- Diese Frage ist umstritten. Nach einer Meinung wird die Gegenforderung auch rechtshängig. Diesen Schluss zieht die Meinung aus § 322 II ZPO, der die Rechtskraft in gewissem Maße auch auf die Gegenforderung erstreckt. Die h.M. dagegen besteht nicht darauf, dass die Gegenforderung rechtshängig wird. Der Beklagte kann somit die Gegenforderung auch noch in anderen Prozessen zur Aufrechnung nutzen und seine Aufrechnung ohne Zustimmung des Gegners zurücknehmen. Der Kläger kann bei mehrfacher Aufrechnung immer noch auf die Parallelprozesse verweisen und beantragen den Rechtsstreit bis zur Entscheidung in den Parallelprozessen auszusetzen. (Pohlmann § 10 Rn. 528 f.)
- Wird die Gegenforderung, mit der der Beklagte - unterstellt - erfolglos aufrechnet, rechtskräftig aberkannt?
- Die Gegenforderung wird dann nach § 322 II ZPO rechtskräftig aberkannt, wenn aus dem Urteil hervorgeht, dass die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nicht besteht und zwar in der Höhe des Betrages der zur Aufrechnung gestellt wurde. Zudem ist nach § 322 II ZPO auch das Erlöschen der Gegenforderung bei einer wirksamen Aufrechnung im Prozess der Rechtskraft fähig.
- Ist eine Hilfsaufrechnung zulässig?
- Der § 388 S. 2 BGB macht die Hilfsaufrechnung trotz Verbots einer bedingten Aufrechnung nicht unzulässig. Der § 388 S. 2 BGB greift nach seinem Zweck nicht ein, da er den Aufrechnungsgegner vor Unsicherheiten schützen will, die bei einer endgültigen Klärung über den Erfolg der Aufrechnung im Prozess aber gar nicht auftreten. Nach dem Prozess steht fest, ob die Aufrechnung Erfolg hat oder nicht, so dass keine Unsicherheit mehr vorliegt. Daher sperrt § 388 S. 2 BGB die Hilfsaufrechnung nicht. (Pohlmann § 10 Rn. 524)
- Worin liegen die Gefahren der Hilfsaufrechnung?
- Eine Gefahr der Hilfsaufrechnung ist, dass keine weiteren Gründe für die Klageabweisung sprechen, und der Kläger dann seine nur hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Forderung endgültig verliert. Zudem kann es passieren, dass im Laufe des Prozesses die prozessrechtlichen Voraussetzungen für die Aufrechnung nicht mehr vorliegen und damit dann auch keine Aufrechnung des Beklagten mehr vorliegt. Er wird dann zur Leistung an den Kläger verurteilt, wenn keine anderen Klageabweisungsgründe vorliegen.
- Welche Auswirkungen hat die sich aus prozessualen Gründen ergebende „Unwirksamkeit“ der Prozessaufrechnung auf das materiell - rechtliche Gestaltungsrecht Aufrechnung?
- Grundsätzlich steht die während des Prozesses erklärte materiell-rechtliche Aufrechnung unter der Bedingung, dass diese auch prozessrechtlich zulässig ist. Wenn diese unzulässig ist, will der Beklagte nicht aufrechnen, da dann seine Gegenforderung durch rechtskräftiges Urteil aberkannt würde, er aber trotzdem an den Kläger leisten müsste. Bei der Aufrechnung vor dem Prozess besteht eine solcher Zusammenhang aber nicht. (Pohlmann § 10 Rn. 527)