Fragen zur Vorlesung vom 5. Juni 2012, Stand: 3. Juli 2012
- Kann die Dienstaufsicht dem Richter vorhalten, eine in den sog. „Kernbereich richterlicher Tätigkeit“ fallende Entscheidung sei unzutreffend? Was, wenn sich die Entscheidung als „offensichtlicher Fehlgriff“ darstellt?
- Bei einem offensichtlichen Fehlgriff ist kein Eingriff seitens der Dienstaufsicht möglich. Der Kläger/Beklagte kann jedoch in der Berufung/Revision ein anderes Urteil erstreben.
Zu „offensichtlichen Fehlgriffen“ lesen Sie etwa Seidel, Die Grenzen der richterlichen Unabhängigkeit; AnwBl 2002, 325 (schön das AG Idstein und die „unbefleckte Empfängnis“, beklemmend LG Mannheim (NJW 1994, 2397)) und http://www.ag-frankfurt.justiz.hessen.de/irj/AMG_Frankfurt_Internet?rid=HMdJ_15/AMG_Frankfurt_Internet/sub/37d/37d46c69-eb29-411a-eb6d-f144e9169fcc,,,11111111-2222-3333-4444-100000005003%26overview=true.htm
- Kann die Beurteilung eines Richters in dessen sachliche Unabhängigkeit eingreifen?
- ja, wenn beispielsweise Einzelfälle als Grundlage der Beurteilung dienen oder auch nur in der Beurteilung erwähnt werden.
- Was ist unter persönlicher Unabhängigkeit zu verstehen?
- Persönliche Unabhängigkeit dient der Absicherung der sachlichen Unabhängigkeit des Richters und bedeutet u.a., dass die endgültig ernannten Richter gegen ihren Willen nicht versetzt werden können, sie kommt nur den auf Lebenszeit eingestellten Richtern zu, Art. 97 II GG).
- „Genießt“ auch der Richter auf Probe den Schutz der persönlichen Unabhängigkeit?
- nein, gemäß Art. 97 Abs. 2 GG genießen nur die hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richter persönliche Unabhängigkeit
- Wie wird die persönliche Unabhängigkeit geschützt?
- verfassungsrechtlich durch Art. 97 Abs. 2 GG
- Aus welchem Grund wird die persönliche Unabhängigkeit geschützt?
- Die persönliche Unabhängigkeit ist ein Garant für die sachliche Unabhängigkeit und damit letzten Endes für eine unabhängige Justiz und einen funktionierenden Rechtsstaat.
Kann die Besoldung der Richter deren persönliche und sachliche Unabhängigkeit beeinträchtigen (vgl. Sie McCloskey, Unabhängigkeit und Gehälter, 16. Deutscher Verwaltungsrichtertag, Freiburg 2010, http://www.aeaj.org/spip.php?article194)?
- Ja, da die Besoldung die Zahl der Richter und somit auch die richterliche Ausstattung eines Gerichts einschränken kann. Zudem könnte die sachliche Unabhängigkeit dadurch eingeschränkt werden, dass keine Mittel für Sachverständige zur Verfügung stehen, wodurch der Richter hinsichtlich seines Urteils eingeschränkt wäre.
Was verdient ein Richter (vgl. Sie http://www.richterbesoldung.de/cms/index.php)?
- Kann sich ein Richter gegen Eingriffe in seine sachliche oder persönliche Unabhängigkeit zur Wehr setzen?
- Ja, kann er. Er kann Klage beim Dienstgericht einreichen. Dieses muss sich dann mit dem Eingriff befassen.
- Worum ging es in dem Urteilen des BGH - Dienstgericht des Bundes - vom 6. Oktober 2011, RiZ (R) 7/10 und vom 21. Oktober 2010 - RiZ (R) 5/09 ? Und worum in dem Urteil vom 24. November 1994, RiZ (R) 4/94 und in dem Urteil vom 21. April 1978 RiZ (R) 4/77?
- IT
- Handelsregister
- Erfassung vom Telefongesprächsdaten
- Diktiergerät
- Was bedeutet eine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit für die Verfahrensbeteiligten?
- die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen die ergangene Entscheidung einzulegen
- Kann die Zentralisierung der Justiz IT außerhalb der Gerichte als Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit verstanden werden? Was meint der BGH - Dienstgericht des Bundes - in seinem Urteil vom 6. Oktober 2011, RiZ (R) 7/10
- Nein
- Was ist unter richterlicher Neutralität zu verstehen, was unter den (oft in demselben Sinne gebrauchten) Begriffen der Unparteilichkeit und der Unbefangenheit?
*Richterliche Neutralität: Freiheit von unsachlichen Einflüssen, die aus dem Innern des Richters von ihm selbst ausgehen. Unbefangenheit: der Richter bewertet einen Fall nur nach sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkten und lässt sich nicht von seinen Emotionen oder Eigeninteressen leiten.
- Welche Rechtsfolgen zieht die fehlende Unparteilichkeit nach sich?
- In diesen Fällen ist der Richter kraft Gesetzes von der Ausübung seines Amtes ausgeschlossen (§ 41 ZPO).
- Unterstellt, der Zivilrichter weise (nach § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO) auf einen rechtlichen Gesichtspunkt hin, den eine Partei erkennbar übersehen habe, nämlich darauf, dass die Klageforderung längst verjährt ist. Begründet dieser - prozessentscheidende - Hinweis die Besorgnis der Befangenheit?
- ja, dieser Hinweis kann - ja nachdem wie er konkret vorgebracht worden ist - die Besorgnis der Befangenheit begründen
- Welche Rechtsfolgen zieht die Besorgnis der Befangenheit nach sich?
- In diesem Fall ist die Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit begründet (§ 42 ZPO).
- Was ist unter einer sog. Selbstablehnung zu verstehen?
- Ein Richter erkennt, dass in einem Fall, den er (mit-)bearbeiten muss, einer der Gründe der §§ 41, 42 ZPO vorliegt und zeigt das an. Auch dann entscheidet das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht.
- In welchen Normen befinden sich die grundlegenden Regelungen des Richterverhältnisses?
- §§ 8ff. DRiG
- Welche vier Arten von Berufsrichtern kennt das Deutsche Richtergesetz? Wodurch unterscheiden sich diese?
- Richter auf Lebenszeit, Richter auf Zeit, Richter auf Probe und Richter kraft Auftrages
- Richter auf Lebenszeit sind diejenigen, die beispielweise unter den Anwendungsbereich des Art. 97 Abs. 2 GG fallen.
- Richter auf Zeit sind nur die 16 Richter des Bundesverfassungsgerichts (§ 4 Abs. 1 BVerfGG). Dieses Richterverhältnis endet also mit Zeitablauf.
- Richter auf Probe sind diejenigen, die später entweder auf Lebenszeit oder als Staatsanwalt ernannt werden sollen (§ 11 DRiG). Die Probezeit dauert mindestens 3 Jahre (vgl. § 10 DRiG). In dieser Zeit ist der Richter zwar sachlich, nicht aber persönlich unabhängig.
- Richter kraft Auftrages sind Beamte auf Lebenszeit, die später als Richter auf Lebenszeit ernannt werden sollen (§ 14 DRiG). In der Regel kommen sie bei den Finanzgerichten vor.
- Wodurch erlangt der Richter die sog. Befähigung zum Richteramt?
- rechtswissenschaftliches Hochschulstudium, erstes Examen, staatlicher Vorbereitungsdienst, zweites Examen (§ 5 DRiG)
- Warum ist die Befähigung zum Richteramt nach wie vor auch Voraussetzung für die Zulassung zum Anwaltsberuf?
- um die Gleichwertigkeit der juristischen Ausbildung von Anwälten und Richtern deutlich zu machen
- Steht die Berufung eines Richters im alleinigen Ermessen der Exekutive?
- Nein, der Präsidialrat muss (im Saarland) der Berufung des jeweiligen Richters zustimmen.
- Wodurch wird das Richterverhältnis begründet?
- durch Aushändigung einer Urkunde (§ 17 Abs. 1 DRiG)
- Welche Pflichten muss der Richter nach seiner Ernennung erfüllen?
- Er muss sich in seinem Auftritt in der Öffentlichkeit mäßigen, damit das Ansehen seines Amtes erhalten bleibt. Des weiteren muss er das Beratungsgeheimnis wahren.
- Was ist unter einem sog. „dissenting vote“ zu verstehen?
- Dieses gibt es nur beim Bundesverfassungsgericht. Es bedeutet, dass ein Richter eines Senates, der nicht die Meinung vertritt, die der Entscheidung zu Grunde liegt, seine Meinung offen äußern kann und diese auch veröffentlich wird. In allen anderen Bereichen richterlicher Tätigkeit gilt das Beratungsgeheimnis.
- In welchen Gerichtsbarkeiten und an welchen Gerichten arbeiten ehrenamtliche Richter?
- Nahezu in jeder Gerichtsbarkeit gibt es ehrenamtliche Richter.Zudem ist es in einigen Teilbereichen durchaus sinnvoll solche einzusetzen. Die jeweilige Fachkenntnis spricht für die Vorteile ehrenamtliche Richter in den einzelnen Gerichtsbarkeiten einzusetzen und zusätzlich wird das Vertrauen in die Justiz gestärkt.