Der Verwaltungsakt (VA)
Der VA ist in § 35 Satz 1 VwVfG legaldefiniert:
- Verwaltungsakt
- Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Damit ergibt sich für das Vorliegen eines Verwaltungsaktes folgendes Prüfungsschema:
hoheitliche Maßnahme
Behörde
Regelung
Einzelfall
unmittelbare Außenwirkung
Der Verwaltungsakt ist sozusagen die typische Handlungsform der Verwaltung, vergleichbar etwa der Willenserklärung im Zivilrecht.
Umstritten ist, wie weit seine Wirkung nach Widerspruch oder Anfechtungsklage gehemmt ist (SuspensivEffekt), wobei allerdings unproblematisch nach dem Gesetz gilt, daß, zumindest solange Widerspruch bzw. Klage erhoben ist, der Verwaltungsakt keine Rechtswirkung hat.
Eine weitere Besonderheit eines VA ist seine BestandsKraft.
Hoheitliche Maßnahme
Die Maßnahme muß auf dem Gebiet des Öffentlichen Rechts getroffen werden. Ob das der Fall ist, bestimmt sich wie im Verwaltungsprozeßrecht bei der Frage, ob es sich um eine Streitigkeit auf dem Gebiet des Öffentlichen Rechts handelt, wenn man die Generalklausel des § 40 I 1 VwGO anwendet.
Näheres unter Öffentlich Rechtliche Streitigkeit.
Behörde
Ob eine Behörde handelt, läßt sich leicht bestimmen, denn der Behördenbegriff ist legaldefiniert in § 1 IV VwVfG bzw. an anderer Stelle in den entsprechenden Ländergesetzen (in Hessen beispielsweise § 1 II HVwVfG):
- Behörde
- Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.
Danach kann auch ein Verfassungsorgan oder ein Teil davon eine Behörde sein. z.B. der Bundestagspräsident, wenn er über die Zuwendungen aus der Parteienfinanzierung entscheidet, ohne dieses öffentlich zu machen, oder das Bundesverfassungsgericht, wenn es als Dienstbehörde gegenüber den Mitarbeitern auftritt.
Regelung
Allgemeines
Für dieses Merkmal stellt man darauf ab, ob der Maßnahme rechtsgestaltende Wirkung zukommt.
Wird z.B. durch einen Bescheid eine Zahlungsverpflichtung auferlegt ("sie sind verpflichtet, bis zum ... den Betrag x zu zahlen"), so handelt es sich um eine Regelung - die Regelung liegt in der Begründung einer Verpflichtung. Ist es dagegen eine bloße Zahlungserinnerung, so handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt.
Genauso wenig ist eine einfache Handlung ein Verwaltungsakt, z.B. wenn Angestellte des Bauhofes eine Straße ausbessern; da ist dann ein RealAkt (ein rein tatsächliche Handlung, die auf die Schaffung von tatsächlichen Folgen gerichtet ist).
Duldungsverfügung
Ein Verwaltungsakt kann aber auch konkludent erlassen werden, und deshalb wird in manche rein tatsächlichen Handlungen eine sog. Duldungsverfügung hineininterpretiert; die Handlung soll also gleichzeitig einen VA enthalten, der anordnet, dass die Handlung zu erdulden ist. Klassisches Beispiel: ein Polizist schlägt mit einem Schlagstock auf einen Demonstranten.
Diese Konstruktion ist historisch bedingt, denn im preußischen Polizeirecht gab es Rechtsschutz nur gegen Verwaltungsakte, nicht aber gegen Realakte. Weil man aber dem Demonstranten die Möglichkeit des Rechtsschutzes eröffnen wollte, hat man die Duldungsverfügung erschaffen.
Da heute wegen Art. 19 IV GG gegen jede Handlung des Staates Rechtsschutz möglich sein muss, ist dies aber überholt, denn gegen einen unrechtmäßigen Realakt kann man mittels einer verwaltungsgerichtlichen FeststellungsKlage vorgehen, so dass ein Teil der Lehre die Konstruktion der Duldungsverfügung mittlerweile ablehnt.
Feststellende VAs
Außerdem gibt es noch den sog. feststellenden VA. Dies ist ein VA, der verbindlich eine Tatsache feststellt, die sich aber dennoch schon unmittelabr aus einem Gesetz o.ä. ergeben kann. Z.B. läßt sich im Beamtenversorgungsgesetz ganz genau ermitteln, wie hoch die Pension ist, die einem Beamten zusteht; wird ihm die Höhe aber nach der Pensionierung durch Bescheid mitgeteilt, so liegt darin eine Feststellung, die konkreter ist als das Gesetz, da dieses allgemein gilt, so dass man einem solchen VA Regelungscharakter zubilligt.
Anderes Beispiel: ein Landrat erläßt für seinen Kreis wegen Überschwemmung eine Räumungsanordnung. Daraufhin werden an den Zufahrtsstraßen Schilder des Typs "Verbot für Fahrzeuge aller Art" aufgestellt. Diese sind feststellende Verwaltungsakte, weil sie konkreter als die allgemeine Anordnung sind, denn sie stellen fest, dass an dieser speziellen Stelle für Fahrzeuge (und nur für diese) eine Durchfahrt nicht gestattet ist. (Man kann hier allerdings auch anderer Ansicht sein und den Schildern keinen Regelungscharakter zubilligen.)
Einzelfall
Ob ein Einzelfall vorliegt, wird üblicherweise mit dem Begriffspaar individuell-konkret ermittelt. Es sind also zwei Dimensionen zu beachten:
- sachliche Reichweite
wird eine abstrakte Anordnung getroffen oder für einen konkreten Fall etwas festgelegt?
- personelle Reichweite
gilt die Maßnahme generell oder individuell, ist also der Adressat genau bestimmt?
Je nach Kombination ergibt sich ein anderer Rechtscharakter der Maßnahme:
|
generell |
individuell |
abstrakt |
VA |
|
konkret |
VA |
Beispiel: an einen Kühlfabrikbetreiber ergeht die Anordnung, dass er immer dann, wenn die Straße, die an seiner Fabrik vorbeiführt, vereist, obwohl es aufgrund der Witterungsverhältnisse eignetlich nicht dazu kommen dürfte, diese Straße streuen muss. (Hintergrund: wenn es nicht kalt genug für Eis ist, muss das Eis auf der Straße von seiner Fabrik ausgehen). Hierbei handelt es sich um eine individuelle Anordnung, denn nur dieser Betrieb ist betroffen; nach h.M. ist die Anordnung aber abstrakt, weil sie für eine Vielzahl von Fällen gedacht ist (immer, wenn es eist).
Außenwirkung
Außenwirkung ist dann gegeben, wenn die Maßnahme darauf gerichtet ist, rechtliche Folgen gegen eine andere Rechtspersönlichkeit zu erzeugen.
Dieses Kriterium dient dazu, VAs von innerbehördlichen Anordnungen abzugrenzen. Wenn also der Behördenleiter einen Beamten anweist, eine bestimmte Sache vorrangig zu bearbeiten, bleibt diese Anordnung innerhalb der Behörde, weil der Beamte insoweit nicht als Mensch und Bürger, sondern als Amtsträger betroffen ist. Folglich handelt es sich bei der Anordnung nicht um einen VA mit der Wirkung, dass er nicht durch eine AnfechtungsKlage angegriffen werden kann (sondern, wenn überhaupt, nur durch eine Leistungs- oder Feststellungsklage).