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Worum geht's?
Am 11.09.2003 haben 46 Abgeordnete aller Fraktionen einen Antrag in den BundesTag eingebracht, der ein WahlRecht "von Geburt an" fordert, das treuhänderisch von den Eltern ausgeübt werden soll. Unterstützt wird die Initiative auch von Ex-BundesPräsident Roman_Herzog (FR vom 13.11.2003).
Hier der Antrag: http://dip.bundestag.de/btd/15/015/1501544.pdf
Am 01.04.04 wurde der Antrag im Deutschen BundesTag debattiert. Das Plenarprotokoll dazu gibt's hier: http://dip.bundestag.de/btp/15/15102.pdf (1,2 MB). In der PDF-Datei sind das die Seiten 131 bis 142.
Hier gibt es eine Abschrift der betreffenden Seiten (mit ein paar Markierungen): Plenarprotokoll_15-102_m.pdf (190 kB).
Am 05.05.04 hat sich auch der PetitionsAusschuss mit einer Petition von Jugendlichen befasst, die gefordert hatten, das aktive Wahlrecht nicht mehr vom Erreichen eines Mindestalters abhängig zu machen. Siehe dazu hib vom 05.05.04.
OffeneFrage: Gibt es dazu auch noch andere Informationen? Auf der Website des BundesTages findet man deazu nichts weiter.
- Kritiker sprechen bei dem "Kinderwahlrecht" auch von "Elternwahlrecht" (bzw. "Familienwahlrecht").
Das ließe sich evtl. kombinieren mit einer Absenkung des Wahlalters, z.B. auf 14 Jahre ("Politische Mündigkeit" mit Eintritt der StrafMündigkeit, Jugendwahlrecht).
Argumente!
Die Argumente aus dem o.g. Antrag lassen sich grob wie folgt zusammenfassen (ToDo: schöner machen):
- demographische Entwicklung
- angemessener Stellenwert für Kinder und Eltern in der Gesellschaft
--> Gesellschaft muss kinderfreundlicher werden
Problem: Art. 38 II GG
- leistet Politik Vorschub, die zu einer Verlagerung von Lasten auf die nächste Generation tendiert
- 20 % des Volkes ist Einfluss auf Ausübung der Staatsgewalt versagt
--> Änderung Art.
weitere Argumente:
dafür
- Warum nicht die Stimmen teilen? Bei einer ungeraden Anzahl von Kindern gäb's dann halt halbe Stimmen, die sich ja auch ohne weiteres auszählen lassen.
- praktizierte Familienförderung: die Interessen von Kindern ganz explizit schon bei der Wahlentscheidung berücksichtigen
dagegen
- nicht durchführbar: hoher Aufwand, große Bürokratie, Datenvernetzung
Die Organisation der Wahl ist insgesamt ein gigantischer Aufwand. Der wird auch nich sooo viel größer durch die paar Millionen Kinder. OffeneFrage: Wieviele wäre eigentlich davon betroffen?
- Eltern wählen doch nicht mehr und nicht weniger im Interesse ihrer Kinder, als sie das sowieso mit ihren eigenen Stimmen schon tun.
- Klar, die Eltern werden nicht anders wählen als jetzt auch, aber sie haben dann halt mehr Gewicht.
- Wenn denn die Eltern als "Eltern wählen", und nicht ihre eigene Überzeugung verstärken.
- Klar, die Eltern werden nicht anders wählen als jetzt auch, aber sie haben dann halt mehr Gewicht.
- "Eltern" - wer wählt denn da: Mann oder Frau? Abgesprochen? Geheime Wahl? Hält sich der wählende Partner an die Absprache? Kontrolle des nichtwählenden Partners? Zusammen in die Wahlkabine?
- Jedes Kind hat zwei Eltern. Somit hat jedes Elternteil eine halbe Stimme.
- Verstoß gegen Wahlgleichheit
Wieso das? Die wird doch gerade erst dadurch hergestellt, dass wirklich jeder eine Stimme hat.
- Es übt ja aber faktisch nicht jeder, der eine Stimme hat, auch eine Wahlentscheidung aus. Ein sechsjähriges Kind wird nicht wählen, weder tatsächlich (zur Kabine gehen) noch inhaltlich (die Wahlentscheidung treffen, die dann von den Eltern "ausgeführt" wird). Tatsächlich haben die Leute, die Kinder haben - aus welchen Gründen auch immer (bewußte Entscheidung, Zufall) - mehr Stimmen, als die Leute, die keine haben - aus welchen Gründen auch immer (bewußte Entscheidung, Zufall, biologische Gründe...). Und das ist willkürliche Ungleichbehandlung, oder genauer gesagt, knüpft die Ungleichbehandlung nicht an ein taugliches Merkmal an.
- Verstoß gegen Wahlgeheimheit
- Benachteiligung der Personen, die keine Kinder bekommen können.
Die können doch weiterhin ganz normal wählen. Die Eltern sollen ja das Wahlrecht nur für die Kinder ausüben.
- Dann stellt sich die Frage nach den Zweck des Kinderwahlrechts.
Zweck des KinderWahlRechts
Wenn das Kinderwahlrecht Eltern dazu bringt/ bringen kann, im Namen ihrer Kinder so abzustimmen, wie es für die Kinder am besten wäre, Kindern also wirklich "eine Stimme zu geben" - toll, bin dafür. Ich fürchte aber, das wird nicht funktionieren: Das KWR ist dafür einfach nicht geeignet, ist ein untaugliches Instrument.
Um es mir also endgültig mit allen Eltern gründlich zu verderben, muß ich ganz ehrlich sagen: Wenn Eltern diese Stimmen sowieso nicht im Sinne ihrer Kinder ausüben, wenn es dabei gar nicht um das beste für die Kinder geht, ist es kein KWR, sondern ein "Eltern-sein-Belohnungs-Wahlrecht" - vielleicht kann man darüber ja diskutieren, aber dann sollten wir das auch ehrlich beim Namen nennen. Es ist einfach unehrlich, das ganze als "Kinderwahlrecht" zu verkaufen. Natürlich ist es richtig, dass nie 100% aller Eltern im Sinne ihrer Kinder wählen werden. Allerdings wird der größte Teil der Eltern im Sinne des Kindes/ der Kinder wählen. Durch das Kinderwahlrecht gibt es natürlich eine Verschiebung der Wahlanteil. Genau das wird dazu führen, dass Themen wie Bildung und Erziehung wieder in den Vordergrund kommen werden.
Alternativen
Wahlberechtigungsschein?
Ich bin eigentlich sogar gegen ein Wahlrecht schon mit 18, denn welcher 18jährige hat schon ein wirkliches politisches Interesse? Am besten wäre ein "Wahlberechtigungsschein", in welchem man nachweisen muss, dass man wenigstens ein paar Grundprinzipien der Demokratie verstanden hat, und den Herrn Schröder nicht zufällig aus GZSZ kennt. Daher verstehe ich die ganzen "Geht-wählen"-Kampagnen nicht, ich denke ja mehr: "Wenn du keine Ahnung hast, gehe besser nicht wählen." -- HeikoPilgermann 2003-11-25 23:11:00
- Bei so einer "Wahlberechtigungsprüfung" könnte dann doch jeder mitmachen, unabhängig vom Alter. Vielleicht sind dann die Chancen der Jüngeren gar nicht mal so schlecht, z.B. wenn sie das Wahlsystem gerade erst in der Schule durchgenommen haben. Und andererseits müsste es dann natürlich auch eine Prüfung für die geben, die sich wählen lassen wollen. Welche Fragen wollen wir denn überhaupt stellen?
Ich halte es für eins der wichtigsten Kennzeichen von Demokratie, daß das Wahlrecht eben NICHT an das Vorliegen (oder Nichtvorliegen) bestimmter Merkmale gebunden ist und halte den Zwang, einen "Wahlberechtigungsschein" zu erwerben, für nicht vereinbar mit dem Prinzip der Demokratie im Allgemeinen und dem Grundgesetz im Besonderen. -- MeikeSchneider 2003-12-16 01:06:00
Das war so auch nicht wörtlich gemeint! Ich bin halt nur der Meinung, wenn nur Leute wählen, die sich ein bisschen mit der Materie beschäftigt haben. Diese ewigen "Geht-alle-wählen!"-Aufrufe halte ich zB auch für schädlich. "Geht-nur-wählen,-wenn-ihr-Ahnung-habt"-Aufrufe wären eigentlich sinnvoller, damit nicht der gewählt wird, der bei GZSZ schöner lächelt ... -- HeikoPilgermann 2003-12-17 08:47:49
Jugendparlament
siehe Jugendparlament
Absenkung der Volljährigkeit gem. § 2 BGB
Durch Absenkung der Volljährigkeit gem. § 2 BGB auf das Alter der Strafmündigkeit gem. § 19 StGB, wird gem. Art. 38 GG automatisch das Mindestalter zum passiven Wahlrecht auf 14 Jahre abgesenkt - völlig ohne GG-Änderung! Da hierdurch das GG nicht angetastet wird und die Änderung mittels einfachem Einspruchsgesetz mit einfacher Mehrheit des Bundestages - ohne Zustimmung des Bundesrates - beschlossen werden kann, wäre diese Alternative die einfachst mögliche Variante.
Rechtsvergleichung
Wird das KinderWahlRecht bereits in anderen Ländern praktiziert?
USA: Auch hier http://www.childwelfare.com/kids/kidsvote.htm wird eine kritische Stimme laut.
Auch in der Schweiz denkt man über das Kinderwahlrecht nach:http://www.stimmrechtalter0.ch/worum_geht_es/Imagine_internettext.pdf
Links
http://kinderwahlrecht.de - Internetseite zum Buch von Mike Weimann, Wahlrecht für Kinder - Eine Streitschrift, 1. Auflage 2002
http://www.familien-partei.de/Wahlrechtki.pdf - ”Wahlrecht für Kinder” - ein missachtetes Grundrecht
http://www.familien-partei.de/KIWAEND.pdf - Grundrechte für alle - Wahlrecht auch für Kinder
Wolf-Alexander Melhorn engagiert sich für das Kinderwahlrecht (gute Übersicht zum aktuellen Stand)
KinderRÄchTsZÄnker setzen sich für die ein Wahlrechts ohne Altersbegrenzung ein.
Literatur
Weimann, Mike, Wahlrecht für Kinder - Eine Streitschrift, Beltz 2002, 160 S.,
- Schnorr, Stefan; Wissing, Volker; Vorfeld der Gesetzgebung, ZRP 2003, 382
Breuer, Marten Kinderwahlrecht vor dem BVerfG, Entscheidungsbesprechung, NVwZ 2002, 43 (befasst sich offenbar mit diesem Beschluss, mehr dazu hier)
- Marschall, Stefan; Wer vertritt wen? Volksentscheide und die Funktionslogik parlamentarischer Repräsentation, ZParl 2000, 182
- Gaa, Meinhard; Familienwahlrecht bei den nächsten Bundestagswahlen? ZRP 1997, 345
- Weizsäcker, Beatrice von Zu unreif und zu unpolitisch? DRiZ 1996, 159
- Post, Albert; Erfahrungen mit dem Familienwahlrecht als Bestandteil des Allgemeinen Wahlrechts, ZRP 1996, 377
- von Münch, Ingo, Kinderwahlrecht, NJW 1995, 3165
- Löw, Konrad, Verfassungsgebot Kinderwahlrecht, FuR 1993, 25
siehe auch Orange-21Sendung