Inhaltsverzeichnis
-
A. Feststellungsklage, § 256 I ZPO
- I. Allgemeines
- II. Praktische Anwendungsfälle
- III. Arten
- IV. Sachurteilsvoraussetzungen
- V. Sachentscheidung
- B. Zwischenfeststellungsklage, § 256 II ZPO
A. Feststellungsklage, § 256 I ZPO
I. Allgemeines
Durch die Feststellungsklage gem. § 256 I ZPO kann das Bestehen/Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses oder die Unechtheit einer Urkunde festgestellt werden oder eine Urkunde anerkannt werden. Verschiedene Urteilsarten der ZPO:
Arten |
Wirkung |
Leistungsurteil |
Feststellungswirkung + Leistungsbefehl an den Beklagten |
Gestaltungsurteil |
unmittelbare Rechtsänderung |
Feststellungsurteil |
bloß deklaratorische Feststellungswirkung |
II. Praktische Anwendungsfälle
- Streit über Haftung für künftige, noch ungewisse Folgeschäden in Verkehrsunfall- und Haftpflichtprozessen
- Durch die Erhebung der Feststellungsklage kann die Verjährung gehemmt werden (§ 204 I Nr. 1 BGB) und der streitige Anspruch dem Grunde nach geklärt werden.
III. Arten
- Positive Feststellungsklage: Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses
- Negative Feststellungsklage: Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses
IV. Sachurteilsvoraussetzungen
1. Allgemeine Sachurteilsvoraussetzungen
a. Antrag auf Feststellung des Bestehens/Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses
Der Antrag muss gem. § 253 II Nr. 2 ZPO das streitige Rechtsverhältnis genau bezeichnen. Bei der negativen Feststellungsklage muss das streitige Rechtsverhältnis ebenfalls genau angegeben werden, damit die Rechtskraft der auf den Antrag ergehenden Entscheidung klar umgrenzt ist.
b. Zuständigkeit des Gerichts
- Richtet sich nach dem Streitwert der entsprechenden Leistungsklage.
- Positive Feststellungsklage: 20 % unter dem Wert einer Leistlungsklage
- Negative Feststellungsklage: voller Betrag, den der Kl. vernichten will
- Bei Kollision von Leistungs- und Feststellungsklage: § 45 I 3 GkG: keine Wertaddition, sondern nur der höhere Betrag zählt.
2. Besondere Sachurteilsvoraussetzungen
a. Rechtsverhältnis
aa. Zweck des Tatbestandmerkmals:
Vermeidung der Prozessvermehrung; Kl. soll dieselbe Rechtssache nicht mehrfach gerichtlich und gegenüber demselben Bekl. geltend machen können.
bb. Definition
Rechtsverhältnis ist jede rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder einer Sache.
cc. Darlegungslast/-umfang
- Darlegungslast trägt der Kläger, sowohl bei der positiven, als auch bei der negativen F-Kl.
- Umfang der Darlegungslast hängt von den einzelnen Rechtsverhältnissen ab: Schadensfeststellungsklagen reicht der Vortrag von Tatsachen aus, nach denen künftige Schadensfolgen möglich sind; Art, Umfang und Eintritt können ungewiss sein.
dd. Beispiele:
- Bestehen/Nichtbestehen eines Vertrags
- Bestehen/Nichtbestehen eines Leistungsanspruchs
- Eigentum an einer Sache
- auch: Auslegung eines Leistungstitels
ee. Kein Rechtsverhältnis:
- bloße Tatfragen (Ausn.: Echtheit der Urkunde, § 256 I ZPO), weil keine Rechte
- abstrakte Rechtsfragen, weil nicht konkret
- Vorfragen, einzelne unselbstständige Elemente des Rechtsverhältnisses; anders einzelne Ansprüche
ff. Drittrechtsverhältnis
Klage auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses zu einem Dritten oder zwischen Dritten? -> Problem der Prozessführungsbefugnis: Darf der Kl. ein fremdes Rechtsverhältnis zum Gegenstand der Klage machen?
- BGH: Drittrechtsverhältnis kann Gegenstand der F-Kl. sein, wenn es zugleich für die Rechtsbeziehung der Parteien untereinander von Bedeutung ist und der Kl. rechtliches Interesse an der alsbaldigen Klärung hat.
- Arg. gegen BGH: Abweichung vom prozessrechtlichen Grundsatz, dass nur unter den Voraussetzungen der Prozessstandschaft zulässig ist, fremde Rechte zum Gegenstand einer Klage zu machen.
- Lösung: Auslegung, ob es im Kern nicht doch um die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien geht, die vom Drittrechtsverhältnis beeinflusst wird.
b. Gegenwärtigkeit des Rechtsverhältnisses
- (-) Rechtsverhältnis entsteht erst in Zukunft; z. B. erbrechtliche Beziehung zwischen den Erben vor dem Tod des Erblassers.
- Auch ein bedingter Anspruch, wenn der Grund des Anspruchs bereits in der Art gelegt ist, dass eine gegenwärtige Rechtsbeziehung insoweit schon besteht und sie die Grundlage bestimmter Ansprüche bilden kann.
c. Feststellungsinteresse: Rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung
aa. Zweck der Einschränkung
Prozessökonomie: Ein Rechtsverhältnis kann nicht Gegenstand einer Klage sein, wenn die Feststellung nicht notwendig ist oder wenn der Streit auf einfacherem Weg gelöst werden kann.
bb. Gegenwärtige Gefahr
- Dem Recht/der Rechtslage des Kl. droht eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit dadurch, dass der Bekl. das Recht des Kl. bestreitet, oder sich eines Rechts gegen den Kl. berühmt.
- Gefahr kann sich insb. aus der drohenden Verjährung oder dem Ablauf der Klagefrist ergeben.
- Das Feststellungsurteil ist geeignet, durch die Rechtskraftwirkung die Gefahr zu beseitigen.
cc. Keine bessere Rechtsschutzmöglichkeit
- Grundsatz: F-Int. (-), wenn die Klage auf Leistung möglich und zumutbar ist.
- Grund: Prozessökonomie
- Unzumutbarkeit (+), wenn der Anspruch noch nicht oder nicht ohne Durchführung einer aufwendigen Begutachtung beziffert werden kann.
- Ausnahmen vom Vorrang der Leistungsklage:
- Feststellungsurteil führt schon zu endgültiger Streitbeilegung, z. B. weil der Bekl. bereits aufgrund des Feststellungsurteils leisten wird; zu bejahen, wenn auf der Beklagtenseite Behörden, Banken oder Versicherungsgesellschaften stehen.
- Feststellungsurteil ermöglicht sinnvollere und umfassendere Erledigung des Rechtsstreits als die Leistungsklage.
cc. Zeitpunkt/Wegfall des F-Int.
- F-Int. muss im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gegeben sein
- wenn F-Int. (-), muss der Kl. die Klage für erledigt erklären
- Wegfall, wenn der Schuldner die Einstandspflicht auch für die Zukunft anerkennt und der Kl. endgültig gesichert ist.
dd. Prüfungsumfang
- BGH: F-Int. muss nur bei begründeter F-Kl. gegeben sein; bei Unbegründetheit kann das Vorliegen des F-Int. offen gelassen und die Klage durch Sachurteil abgewiesen werden (Einschränkung des prozessualen Vorrangs der Zulässigkeit vor der Begründetheit). Grund: Prozessökonomie
- Klausur:
§ 256 I ZPO unschwer zu bejahen -> Zulässigk. (+), eingeschränkten Prüfungsumfang nicht erwähnen
§ 256 I ZPO schwer zu beurteilen, Rechtsstreit wg. Unschlüssigkeit oder nach Beweisaufnahme zur Sachabweisung reif -> F-Int. offen lassen, Klage als unbegründet abweisen
§ 256 I ZPO (-), Klage begründet -> § 256 I ZPO muss vorliegen
d. Keine Rechtshängigkeitssperre
aa. Verhältnis negative F-Klage <-> L-Klage
- Ist eine L-Klage bereits rechtshängig, so kann gem. § 261 III Nr. 1 ZPO keine neg. F-Kl. insoweit über denselben Anspruch erhoben werden, als der Streitgegenstand von L-Klage umfasst wird.
- Ausnahme: Wenn die neg. F-Kl. bei Verhandlung der in der Höhe noch nicht entscheidungsreifen Leistungsklage schon entscheidungsreif ist, kann die neg. F-Kl. durch Sachurteil entschieden werden. Grund: Prozessökonomie! Wird die neg. F-Kl. abgewiesen, so steht das Bestehen des Anspruchs fest; wird der neg. F-Kl. stattgegeben, ist die L-Kl. unbegründet.
- Ist eine negative F-Klage bereits rechtshängig, so begründet sie für eine (Wider-)Klage des Bekl. auf Leistung keine Rechtshängigkeitssperre, da der Streitgegenstand der L-Klage nicht vollständig von der F-Klage umfasst wird. Erhebt der Bekl. (Wider-)Klage auf Leistung, so entfällt das F-Int. bzw. das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers der F-Klage, wenn die L-Klage gem. § 269 I ZPO nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann, d. h. wenn streitig verhandelt wurde.
bb. Verhältnis positive F-Klage <-> negative F-Klage
- Die Klage, die zuerst erhoben wird, begründet für die andere Rechtshängigkeitssperre (Prioritätsgrds.)
- Ausn.: Positive F-Kl. zur Verjährungshemmung trotz Rechtshängigkeit einer neg. F-Kl. über denselben Anspruch zulässig, da die neg. F-Kl. die Verjährung nicht hemmt, und der Streitgegenstand der pos. F-Kl. insoweit weiter gehend ist.
V. Sachentscheidung
richtet sich nach dem materiellen Recht
1. Darlegungs-/Beweislast
Jede Partei hat die ihr günstigen rechtsbegründenden, rechtserhaltenden oder rechtsvernichtenden Tatsachen darzutun und zu beweisen.
2. Prüfungsumfang
Schadensersatzanspruch, wenn der Schadensverlauf noch nicht absehbar -> Anspruch zu bejahen, wenn der Schadenseintritt wahrscheinlich ist.
3. Tenorierung
a. Erfolg der Klage
- "Es wird festgestellt, dass...(genaue Bezeichnung des Rechtsverhältnisses)"
- Es kann auch nur die Feststellung ausgesprochen werden: "Der Kläger ist verpflichtet, ..."
b. Erfolglosigkeit der Klage
Tenor enthält nur den Ausspruch der Klageabweisung ohne Benennung des Rechtsverhältnisses.
c. Teilerfolg
Tenor stellt fest, in welchem Umfang das streitige Rechtsverhältnis besteht/nicht besteht. Bsp: "Es wird festgestellt, dass dem Bekl. über den Betrag von ... Euro hinaus aufgrund des Vertrags vom ... Ansprüche gegen den Kläger nicht zustehen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen."
4. Rechtskraft
- Das feststellende Sachurteil erwächst in Rechtskraft.
- Wird eine negative F-Kl. abgewiesen, so erwächst die positive Feststellung des Bestehens des Rechtsverhältnisses in Rechtskraft.
B. Zwischenfeststellungsklage, § 256 II ZPO
Durch die Zwischenfeststellungsklage kann das Bestehen oder Nichtbestehen eines entscheidungserheblichen, streitigen Rechtsverhältnisses festgestellt werden.
I. Zweck
Im Leistungsurteil wird zwar der Tenor, nicht aber die Rechtsgründe, d. h. die den Leistungsbefehl tragenden tatsächlichen Feststellungen und die Beurteilung des vorgreiflichen Rechtsverhältnisses rechtskräftig. Durch die Zwischenfeststellungsklage kann der Kläger die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens des Rechtsverhältnisses im Tenor und somit die Rechtskraftwirkung auch für die Feststellung über den Grund des Leistungsbefehls herbeiführen. Dies kann selbst hilfsweise für den Fall beantragt werden, dass der Hauptantrag abgewiesen wird.
II. Erhebung
Die zeitliche Erhebung spielt keine Rolle, d. h. der Kläger kann die Zwischenfeststellungsklage mit dem Klageantrag oder nachträglich erheben, der Beklagte kann sie im Wege der Widerklage erheben.
III. Besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen
1. Antrag
2. Anhängigkeit der Hauptklage
Ein Urteilsverfahren über die Hauptklage muss zwischen den gleichen Parteien hinsichtlich des Anspruchsgrundes in der Tatsacheninstanz anhängig sein.
3. Entscheidungserheblichkeit/Vorgreiflichkeit
- Das streitige Rechtsverhältnis muss entscheidungserheblich (= vorgreiflich) sein.
- (-), wenn die Leistungsklage ohne Rücksicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses abgewiesen werden muss.
- F-Int. nicht erforderlich!
4. Bedeutung des Rechtsverhältnisses über die Hauptklage hinaus
Die Hauptklage darf die Rechtsbeziehung der Parteien nicht erschöpfend regeln, ansonsten Rechtsschutzbedürfnis (-)!
IV. Sachentscheidung
Wie bei der Feststellungsklage.