University of Wales/ Swansea

Nun war ich also die erste Saarbrücker Jurastudentin, die ein Jahr an der University Swansea verbringen sollte. Swansea - der Name sagte mir damals gar nichts, Wales - irgendwo im Westen Großbritanniens. Wales ist Teil des vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland. Südwales wurde im 19. Jahrhundert zum Industriegebiet von Wales. Wenn auch heute viele Minen und Fabriken geschlossen sind, begegnet man noch einer Menge häßlicher Industriegebiete (Port Talbot). Immerhin wurde durch die vorhandenen Bodenschätze eine Ausblutung der Bevölkerung von Wales, wie es in Irland stattfand, verhindert. Arbeitsuchende kamen nach Südwales und siedelten sich dort an. Mittel- und Nordwales sind weit weniger dicht besiedelt. Dort kommen Naturliebhaber auf ihre Kosten. Das Vorurteil von den grünen Hügeln voller Schafe wird stündlich in den malerischsten Arten bestätigt. Besonders erwähnen möchte ich kurz den "Snowdonia National Park" und die umliegenden vier wichtigsten Königsburgen: Harlech, Caernarton, Beaumarais und Cowny. Die von König Edward I im 13. Jahrhundert gebauten Festungen dienten der Sicherheit der englischen Herrschaft über die Waliser. In Nordwales ist die walisische Sprache auch heute noch Umgangssprache. Alle Waliser können aber fließend englisch sprechen. In Südwales ist englisch die gebräuchlichere Sprache. In ganz Wales müssen alle Schilder, Formulare und sonstiges zweisprachig sein; walisisch ist Pflichtfach in den Schulen, und vor Gericht kann die Verhandlungssprache gewählt werden. Die Waliser sind sehr stolz auf cymru (walisisch für Wales) und haben ein ausgeprägtes Nationalbewußtsein, das sich in ihrer Sprache, ihrer Musik (Eisteddfodau, Tom Jones...), ihrem Essen (welsh cake, laverbread) und ihren Nationalsymbolen (the welsh dragon, daffodils an leek = einem roten, walisischen Drachen, Osterglocken und Lauch) ausdrückt. Vor allem bei der Verwendung der Adjektive walisisch, englisch, britisch sollte man aufpassen und genau differenzieren, um niemandem auf die Füße zu treten. Die größten Sehenswürdigkeiten in Südwales sind einige castles und churches (Tintern Abbey, Castle Coch, Caerphilly Castle...), die Brecon Beacons (Hügel. Gras, hillwalks, Ruhe), der Pembrokeshire National Park (Küste pur, die walisische Riviera) und The Gower (eine unter Naturschutz stehende Halbinsel direkt hinter Swansea mit phänomenalen Buchten!!!). Die Stadt Swansea liegt in Südwales an der Küste ungefähr 400 km von London entfernt. Sie hat ca. 200 000 Einwohner, was ja ungefähr der Größe von Saarbrücken entspricht, und ist die zweitgrößte Stadt in Wales, direkt nach der Hauptstadt Cardiff. Beide Städte haben große Häfen, die meist industriell (z.B. zur Kohle- und Kupferverschiffung) genutzt werden. Außerdem fährt von Swansea eine Fähre nach Cork, Irland. Swansea liegt an der Swansea Bay, die sich von Port Talbot über Swansea bis zum Badeort The Mumbles erstreckt. Weggehen kann man in Swansea gut. Es gibt einige Discos, die in der Woche weniger als 2 kosten, einige nette Pubs und Kino ist relativ billig. Wenn der Pfund nicht weiter steigt, kostet es je nach Kino 2,50 oder 3,10. Die Preise sind wohl zum Teil deshalb so niedrig, weil Wales abseits liegt und auch so behandelt wird. Außerdem ist die Arbeitslosigkeit in Swansea rekordverdächtig. Viele Einheimische werden nicht mehr Geld zur Verfügung haben. Die Kriminalität in Swansea liegt als Folge davon über dem Durchschnitt. Um seine persönliche Sicherheit muß man sich aber eigentlich keine Sorgen machen, nur Autos sind gefährdet und gerüchteweise läuft im Hafen wohl auch einiges an Drogengeschäften ab (siehe der Film "Twin Town", in Swansea gedreht). In Mumbles kann man absolute Ferienstimmung an der Strandpromenade erleben und weitere Kneipen und Nachtclubs besuchen. Besonders witzig ist es samstags, wenn die halbe Uni loszieht "to do the Mumbles mile"! Die Busverbindungen im Stadtgebiet (Zentrum, Uni, Wohnheime, Mumbles) sind gut. Leider fahren nach 23 Uhr keine Busse mehr, aber sehr billige Taxiunternehmen lösen das Problem. Mit 4 Mitfahrern ist ein Taxi billiger als die Busse. Die University of Wales setzt sich zusammen aus den Universitäten Cardiff, Swansea, Lampeter. Aberystwyth und Bangor. Die Campus-Uni in Swansea liegt zwischen der Innenstadt und Mumbles direkt am Meer. Auf dem Campus wird den Studenten alles geboten: zwei Pubs, ein Mehrzweckraum für Kino, Theater, usw., Mensa, fast-food restaurant, mini-market, Post, Waschsalon, Friseur, copy shop, Arzt, Zahnarzt... Der Strand vor der Uni lädt zu beach parties ein. Auf Gower kann man Wellen- und Windsurfen. Dort ist die Wasserqualität okay und wird regelmäßig überprüft. In Swansea Bay sollte man sich das Schwimmen verkneifen, da die Stadt keine Kläranlage und zu viele Öltanker hat. Auf dem Campus gibt es Wohnheimplätze für ca. 600 Studenten und über die Stadt verstreut liegen weitere Wohnheime, das student village und Privatwohnungen. Die law faculty ist sehr jung (ca. 5 Jahre) und sehr klein (ca. 300 Studierende). Das hat Vorteile: die Dozenten, die zum größten Teil keine Professoren sind, sind sehr jung und die Veranstaltungen vor allem im Vergleich zu deutschen Verhältnissen sehr klein. Somit läuft das Studium persönlicher und - um auch mal was Negatives zu sagen - verschulter ab. Die Betreuung sowohl von Austauschstudenten (als ich da war, gab es nur sechs!) als auch der "normalen" Studenten ist himmlisch. Persönliche Betreuung ist Pflicht und jeder Student hat einen Tutor aus dem Lehrkörper. In allen Gebäuden sitzen hilfsbereite porter, die einem bei so ziemlich allen Problemen helfen. In der Bibliothek, die sieben Tage in der Woche geöffnet ist, gibt es einen extra "law-reading room", ein ausgefeiltes Computerprogramm, um Literatur zu finden, und am information desk sitzen freundliche, informierte Leute, die immer Zeit haben und einem weiterhelfen. Die ganze Uni ist überragend gut mit Computern ausgestattet, die sowohl zum Arbeiten, als auch zum mailen und web-surfen zugänglich sind. Britische Jurastudierende können entweder einen law course in single honors ("Jura pur", nur im ersten Jahr müssen zwei fachfremde Vorlesungen besucht werden) oder joint honors (Jura plus ein Nebenfach (z.B. Sprachen)) belegen. Soweit ich weiß, müssen sie pro Studienjahr 120 credits erreichen. Austauschstudenten brauchen mindestens 80 credits. Die meisten Kurse haben 20 credits, es gibt aber auch halbjährige Kurse mit 10 credits. Ein 20 credit course setzt sich zusammen aus einer zweistündigen Vorlesung und einem vierzehntägig stattfindenden Seminar. Die Unistunde dauert 50 Minuten. Das Examen besteht aus einem essay, das ca. 2000 Wörter umfaßt und im Laufe des Jahres geschrieben wird, und einem Abschlußexamen, das stärker bewertet wird. Das Seminar sollte man gut vorbereiten. Erstens ist die "Gefahr", daß man etwas sagen muß, größer als in Deutschland und zweitens ist es eine perfekte Examensvorbereitung (wie mir am Ende des Jahres klar wurde). In den Vorlesungen wird wie wild mitgeschrieben. Der Sinn ging mir auch bald auf, als ich bemerkte, daß man sowohl die essays als auch das Abschlußexamen mit Vorlesungsmitschriften und wenig weiterführender Literatur bestehen kann. Mir hat es Spaß gemacht, einen Einblick ins britische Recht zu bekommen. Oft mußte ich grinsen, wenn es hieß: "That`s the way we do it. However, continental people do it in another way!" Dann folgten sehr vereinfachte und somit komisch wirkende Aspekte des continental law. Generell bereitet das Englisch wenig Probleme. Natürlich muß man sich in den ersten Wochen an die Sprechweise der lecturer und die Umgangssprache der Studenten gewöhnen. Ich kann nach einem Jahr alles verstehen, und wenn mir manchmal ein Wort fehlt, weiß ich trotzdem immer noch, um was es geht. Außerdem habe ich die Scheu vor dem Sprechen in einer fremden Sprache verloren. Natürlich ist es auch ganz toll, viele unterschiedliche Menschen aus unterschiedlichen Ländern kennenzulernen usw., aber ich wollte etwas mehr auf Swansea und somit Wales eingehen, weil der Rest ja eher "Standart" ist. Insgesamt war es für mich ein tolles Jahr. In England kann man bestimmt auch ein unvergeßliches Jahr verbringen, aber in Swansea hat man zusätzlich die Chance wunderschöne Landschaften teilweise vor der Tür zu erleben und Wales und die Waliser kennenzulernen.

Ulrike Schulz, 1997

JuristischesAuslandsbüroSaarbrücken/ErfahrungsBericht/Wales (zuletzt geändert am 2008-01-20 19:58:22 durch anonym)