Die Erstausgabe (editio princeps) eines nachgelassenen, nicht mehr vom Urheberrecht geschützten Werks wird im deutschen UrheberRecht im § 71 UrhG geregelt. Dieses Leistungsschutzrecht (1965 10 Jahre, seit 1990 25 Jahre) wurde über die Schutzdauerrichtlinie 93/98/EWG der EU europaweit eingeführt.

Praktische Bedeutung besaß das Recht vor allem im Bereich der Musikedition. Die bis vor kurzem einzige relevante Gerichtsentscheidung (BGHZ 64, 164 TE DEUM), die sich denn auch auf ein Musikwerk bezog, ist nach der Novellierung von 1995 nicht mehr anwendbar.

Im Oktober 2003 hat das LG Magdeburg die Vorschrift auf einen archäologischen Fund angewandt und das Recht grundsätzlich dem Eigentümer des Werks zugesprochen. GRUR-Leitsatz: "Berechtigter i.S. des § 71 UrhG ist der Eigentümer des Werks, denn Zweck dieser Vorschrift ist, die Leistung desjenigen, der ein nachgelassenes Werk auffindet, dessen Wert erkennt und es veröffentlicht, anzuerkennen und zu belohnen". Dies wurde in der Mailingliste URECHT als Verstoss gegen Art. 20 GG von KlausGraf heftig kritisiert: http://web.archive.org/web/20041012154403/http://rw22linux5.jura.uni-sb.de/pipermail/urecht/Week-of-Mon-20040830/001711.html (Dort finden sich weitere Links und Nachweise)

Die weitreichenden Annahmen des LG Magdeburg wurden auch vom OLG Düsseldorf in I-20 U 123/05 vom 16.08.2005 entschieden zurückgewiesen: http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/duesseldorf/j2005/I_20_U_123_05urteil20050816.html

Leitsätze: 1. Werke können auch durch die Verbreitung handschriftlicher Vervielfältigungs-stücke erscheinen.

2. In Italien konnte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Opernmusik da-durch erscheinen, dass auf Bestellung von Interessenten durch Kopisten Ab-schriften des beim Aufführungstheater befindlichen so genannten Originale gefertigt wurden.

3. Wer als Herausgeber eines nachgelassenen Werkes Leistungsschutz in An-spruch nimmt, muss beweisen, dass das Werk zuvor nicht erschienen war.

4. Der Umstand, dass ein Werk über längere Zeit als verschollen gegolten hat, begründet nicht die Vermutung, dass es nicht zuvor erschienen war.

Literatur

Burrell, Robert/ Haslam, Emily: The Publication Right: Europe's First Decision. In: European Intellectual Property Review 20 (1998) 210-213 - nur Besprechung des TE DEUM Falls laut http://www.jeanmonnetprogram.org/TOC/search.php?pagemode=article&articleid=4654

Linksammlung

Deutschland - Gesetzesmaterialien

http://www.urheberrecht.org/law/normen/urhg/1965-09-09/materialien/ds_IV_270_B_02_01.php3 Amtliche Begründung zur Einführung des Rechts

http://www.urheberrecht.org/law/normen/urhg/1995-06-23/materialien/ds_13_781.php3 Amtliche Begründung der Novelle von 1995

Deutschland - sonstiges

http://www.vg-musikedition.de/w_ausgaben.php?p=3 Kritische Stellungnahme der VG Musikedition zum § 71 UrhG

http://www.literature.at/webinterface/library/ALO-BOOK_V01?objid=1511&page=347&zoom=4 Aufsatz von Stois 1930

http://dlib-zs.mpier.mpg.de/mj/kleioc/0010MFER/exec/bigpage/%222084534%5f07%2b1893%5f0154%22 Aufsatz von Bär 1893

Ausland

http://www.knaw.nl/publicaties/pdf/971076.pdf Ausführliche Darstellung (niederländisch) unter Einbeziehung der deutschen Rechtslage, 1997

http://www.artquest.org.uk/artlaw/articles/publication/newright.htm Erläuterungen für Kunstwerke, 1997 (UK)

http://ahds.ac.uk/creating/information-papers/copyright-introduction/ Hinweis auf die Frage, ob im UK vor 2039 überhaupt ein "publication right" auf unveröffentliche literarische Werke erworben werden könne

EditioPrinceps (zuletzt geändert am 2008-01-20 19:58:39 durch anonym)