(!) Das war mal ein Experiment um zu kucken, ob man Entscheidungen im Wiki "auseinandernehmen" kann.

Warum hier?

Beim EdvGerichtsTag2005/GesprächsKreis wurde festgestellt, dass die Juristen online leider viel zu wenig diskutieren. Eine Idee ist jetzt, mal ein Urteil im Wiki auseinanderzunehmen. Hier bietet sich wegen der Aktualität die Entscheidung BundesVerfassungsGerichtUndNeuwahl an. Leider ist die etwas länglich. :-(

Wie soll das gehen?

Wir haben jetzt erst einmal den Text hier reinkopiert und etwas schöner gemacht, also die Hauptgliederungspunkte als Überschrift markiert. Größere Hauptgliederungspunkte haben wir der besseren Übersichtlichkeit wegen auf Untersweiten kopiert. Vielleicht muss man das noch weiter aufteilen?!

Der Text

Mit freundlicher Genehmigung von Art. 5 UrhG und IrisSpeiser. ;-)

Zitierung: BVerfG, 2 BvE 4/05 vom 25.8.2005, Absatz-Nr. (1 - 243), http://www.bverfg.de/entscheidungen/es20050825_2bve000405.html Frei für den nicht gewerblichen Gebrauch. Kommerzielle Nutzung nur mit Zustimmung des Gerichts.

L e i t s ä t z e

zum Urteil des Zweiten Senats vom 25. August 2005

- 2 BvE 4/05 -

- 2 BvE 7/05 -

  1. Die auf Auflösung des BundesTages gerichtete VertrauensFrage ist nur dann verfassungsgemäß, wenn sie nicht nur den formellen Anforderungen, sondern auch dem Zweck des Art. 68 GG entspricht. Das Grundgesetz erstrebt mit Art. 63, Art. 67 und Art. 68 eine handlungsfähige Regierung.

  2. Die auflösungsgerichtete VertrauensFrage ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Handlungsfähigkeit einer parlamentarisch verankerten Bundesregierung verloren gegangen ist. Handlungsfähigkeit bedeutet, dass der Bundeskanzler mit politischem Gestaltungswillen die Richtung der Politik bestimmt und hierfür auch eine Mehrheit der Abgeordneten hinter sich weiß.

  3. Von Verfassungs wegen ist der Bundeskanzler in einer Situation der zweifelhaften Mehrheit im Bundestag weder zum Rücktritt verpflichtet noch zu Maßnahmen, mit denen der politische Dissens in der die Regierung tragenden Mehrheit im Parlament offenbar würde.
  4. Das Bundesverfassungsgericht prüft die zweckgerechte Anwendung des Art. 68 GG nur in dem von der Verfassung vorgesehenen eingeschränkten Umfang.
    • a) Ob eine Regierung politisch noch handlungsfähig ist, hängt maßgeblich davon ab, welche Ziele sie verfolgt und mit welchen Widerständen sie aus dem parlamentarischen Raum zu rechnen hat. Die Einschätzung der Handlungsfähigkeit hat Prognosecharakter und ist an höchstpersönliche Wahrnehmungen und abwägende Lagebeurteilungen gebunden. b) Eine Erosion und der nicht offen gezeigte Entzug des Vertrauens lassen sich ihrer Natur nach nicht ohne weiteres in einem Gerichtsverfahren darstellen und feststellen. Was im politischen Prozess in legitimer Weise nicht offen ausgetragen wird, muss unter den Bedingungen des politischen Wettbewerbs auch gegenüber anderen Verfassungsorganen nicht vollständig offenbart werden. c) Drei Verfassungsorgane - der Bundeskanzler, der Deutsche Bundestag und der Bundespräsident - haben es jeweils in der Hand, die Auflösung nach ihrer freien politischen Einschätzung zu verhindern. Dies trägt dazu bei, die Verlässlichkeit der Annahme zu sichern, die Bundesregierung habe ihre parlamentarische Handlungsfähigkeit verloren.

Rubrum

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvE 4/05 - - 2 BvE 7/05 -

am 25. August 2005 Herr Regierungsangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Im Namen des Volkes

In den Organstreitverfahren über die Anträge

festzustellen,

dass der Bundespräsident durch seine Anordnung der Auflösung des 15. Deutschen Bundestages vom 21. Juli 2005 (BGBl I S. 2169) und seine Anordnung vom 21. Juli 2005 über die Bundestagswahl am 18. September 2005 (BGBl I S. 2170) gegen Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG verstoßen und dadurch die Antragsteller in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 39 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt oder unmittelbar gefährdet hat,

I. Antragstellerin: Jelena Hoffmann, Mitglied des Deutschen Bundestages, Paul-Löbe-Haus, Platz der Republik 1, 11011 Berlin

- Bevollmächtigter: Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Peter Schneider, Rominteweg 3, 30559 Hannover -

Antragsgegner: Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler, Bundespräsidialamt, 11010 Berlin

- Bevollmächtigter: Prof. Dr. Joachim Wieland, LL.M., Gregor-Mendel-Straße 13, 53115 Bonn –

- 2 BvE 4/05 -,

II. Antragsteller: Werner Schulz, Mitglied des Deutschen Bundestages, Kavalierstraße 19, 13187 Berlin

- Bevollmächtigter: Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke, Beim Hochwald 30, 68305 Mannheim -

Antragsgegner: Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler, Bundespräsidialamt, 11010 Berlin

- Bevollmächtigter: Prof. Dr. Joachim Wieland, LL.M., Gregor-Mendel-Straße 13, 53115 Bonn –

- 2 BvE 7/05 -

hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter

Vizepräsident Hassemer, Jentsch, Broß, Osterloh, Di Fabio, Mellinghoff, Lübbe-Wolff, Gerhardt

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 9. August 2005 durch

Urteil

für Recht erkannt:

Tenor

  1. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
  2. Die Anträge werden zurückgewiesen.

Gründe:

A.

siehe /GründeA

B. Zulässigkeit

siehe /GründeB

C. Begründetheit

siehe /GründeC

D.

Die Entscheidung ist im Ergebnis mit 7:1 Stimmen und zu C. II. mit 5:3 Stimmen ergangen.

Hassemer Jentsch Broß Osterloh Di Fabio Mellinghoff Lübbe-Wolff Gerhardt

Abweichende Meinung des Richters Jentsch

siehe /AbweichendeMeinungJentsch

Abweichende Meinung der Richterin Lübbe-Wolff

siehe /AbweichendeMeinungLübbeWolff

BundesVerfassungsGerichtUndNeuwahl/DieEntscheidungImDetail (zuletzt geändert am 2008-01-20 19:58:48 durch anonym)